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Ashford Park

Ashford Park

Titel: Ashford Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Willig
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‹E› kam, erschien Dans E-Mail-Adresse, [email protected]. Sie hatten es seinerzeit witzig gefunden, immer von
Cosinus
zu sprechen
    Wie läuft’s bei Cosinus?
, hatte sie gefragt, wenn sie ihn abends angerufen hatte.
Manjeficke
antwortete er dann meistens. Oder manchmal, wenn etwas schlecht gelaufen war,
Très mal,
was sich anhörte wie tremmel. Dan hatte in der Schule Französisch gehabt, doch sein musikalisches Gehör war praktisch gleich null. Sein Talent, alles falsch auszusprechen, war manchmal nervig, manchmal rührend gewesen. Wie so vieles andere an Dan.
    Es war alles noch so nah und vertraut, dass eine Welle der Nostalgie sie plötzlich überschwemmte. Sie konnte nicht zählen, wie oft sie so gesessen oder gestanden und ihn über ihr BlackBerry von irgendwo an der Straße, von einem Taxi oder einer Besprechung aus eine Nachricht mit einem «Hey, komme heute Abend später heim» oder «Wär dir Chinesisch recht» oder auch nur «Puh, immer noch im Büro» geschickt hatte.
    Spontan tippte Clemmie: «Tut mir leid, dass ich deine Anrufe verpasst habe. Nichts als Arbeit. Letzte Woche Dallas, jetzt London. Hast du vielleicht nächste Woche mal zum Essen Zeit?»
    Sie hätte es komisch gefunden, mit «Alles Liebe» zu schließen wie sonst immer, deshalb tippte sie schnell auf ‹Senden›, ehe sie es sich anders überlegen konnte.
    Es war keinesfalls so, dass sie plötzlich Zweifel bekommen hatte oder so was. Sie waren Freunde geblieben. Sie hatten gesagt, sie würden Freunde bleiben. Und wenn sie gerade ein wenig müde war … und ein wenig einsam … ach was, das hatte nichts damit zu tun.
    Clemmie lehnte sich zurück. Das geräumige Taxi hatte ein gewölbtes Dach und Klappsitze gegenüber der Rückbank. Es erinnerte sie an die Taxis, die es früher, als sie ein kleines Mädchen gewesen war, in New York gegeben hatte. Es hatte etwas angenehm Antiquiertes. Draußen zog London vorbei. Der Hydepark links, die ehrwürdigen Häuser von Mayfair rechts, Männer in dunklen Anzügen mit zusammengerollten Regenschirmen, Zeitungsverkäufer an den Straßenecken. Nur die moderneren Bauten zwischen den älteren Gebäuden erinnerten an die Verwüstungen durch den ‹Blitzkrieg›.
    Frauen, die ähnlich wie die Männer korrekte dunkle Kostüme oder Hosenanzüge trugen, in zweiter Reihe geparkte Geländewagen und die allgegenwärtigen weißen Pappbecher mit Kaffee waren die einzigen sichtbaren Zeichen modernen Fortschritts. Sonst hätte es ebenso gut ein regnerischer grauer Wintermorgen achtzig Jahre früher sein können. Nicht einmal in der Fifth Avenue spürte man die Vergangenheit so stark, dass man das Gefühl hatte, man brauchte nur mit den Augen zu zwinkern, um sich in einer anderen Zeit mit Topfhüten statt Pferdeschwänzen und Melonen statt Baseballcaps wiederzufinden.
    Im morgendlichen Berufsverkehr kam das Taxi nur noch im Schneckentempo vorwärts. Es war warm im Wagen, da die Heizung auf Hochtouren lief. Hinter den fein beschlagenen Scheiben wirkte die Szene draußen silbrig wie auf einer alten fotografischen Platte, die mit der Zeit zu sanften Grautönen verblasst war. Clemmie spürte, wie ihr die Lider schwer wurden und im Morgendunst Vergangenheit mit Gegenwart verschmolz.
    Als das BlackBerry in ihrer Hand zu vibrieren begann, fuhr sie hoch. Es brummte zornig. Der Ton für eine dringende Nachricht. Wer immer diese ‹dringenden Nachrichten› erfunden hatte, gehörte in einem Höllenkreis voll unablässig brummender BlackBerrys verbrannt. Stöhnend rappelte Clemmie sich hoch und öffnete die Nachricht.
    Paul hatte seine Nachricht kurz und sachlich gehalten. «Wo, zum Teufel, bleiben Sie?»
    Irgendwo in der Nähe hupte ein Autofahrer. Ein anderer antwortete mit einer Schimpftirade.
    Von wegen romantische Vergangenheit.
    Clemmie schob sich die Haare hinters Ohr und beugte sich über das BlackBerry. «Bin unterwegs. Stecke im Verkehr.»
    Sie freute sich so was von überhaupt nicht auf diese Besprechung.

London, 1920
    A ddie hasste diese Treffen.
    Sie hockte unbequem auf der Kante eines opulent bestickten Louis-quinze-Sessels, die Beine an den Knöcheln gekreuzt. Sie kam sich in ihrem hochgerutschten Rock wieder wie ein Schulmädchen vor, das zur Strafpredigt zitiert worden war.
    Auf dem üppig gedeckten Teetisch lockten mit Zuckerguss überzogene kleine Kuchen und mit echter Butter bestrichene Brötchen, als ob es Rationierung nie gegeben hätte. Eines dieser Butterbrötchen lag unberührt auf Addies Teller. Es war

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