Ashford Park
sich schon mit anderen amüsieren musste, warum dann nicht mit einer netten verheirateten Frau, die nach den alten Regeln spielte und Bea nicht gefährlich wurde?
Entschlossen richtete Bea sich auf. Nein. Sie würde sich bestimmt nicht zu einer hausbackenen, langweiligen Gattin herabwürdigen lassen und untätig zusehen, wie ihr Mann sich mit anderen Frauen vergnügte. Wenn Marcus sich sein Pläsier anderswo holen konnte, dann würde sie das eben auch tun.
Einen leisen Abgang würde sie ihm nicht bescheren.
London, 1999
N ur zwei Jahre?», fragte Clemmie.
Sie schaute zu dem Porträt hinauf, die Frau war nun nicht mehr irgendeine Unbekannte, sondern Grannys Cousine, die durch diese neue Information einen tragischen Zug bekommen hatte.
Das erklärte vermutlich, warum Granny nie über die mysteriöse Bea gesprochen hatte. Clemmie hätte gern gewusst, was da passiert war. War sie im Kindbett gestorben? Sie hatte eine vage Ahnung, dass damals die Frauen häufig im Kindbett gestorben waren.
«Warum hängt sie dann noch an der Wand?», fragte Harold und erntete einen bösen Blick von Paul. Junge Kollegen hatten den Mund zu halten.
«Warum hängt sie noch an der Wand?», fragte Paul laut.
Der Marquis richtete seine Antwort an Clemmie. «Sie soll eine der schönsten Frauen ihrer Zeit gewesen sein. Ich hatte manchmal den Verdacht, dass der alte Knabe immer noch ein wenig in sie verliebt war.»
Clemmie betrachtete das Bild. Ja, Bea war hübsch, aber das Fesselnde an ihr waren nicht die porzellanfeinen Gesichtszüge, sondern ihre Ausstrahlung. Die Frau auf dem Porträt knisterte vor Sex-Appeal. Trotz der zurückhaltenden Farbpalette – das schwarze Kleid, die hellen Perlen, die silberblonden Haare – sprühte das Bild vor Vitalität. Man hätte meinen können, allein die Farbe hielte die Frau auf der Leinwand fest und sie könnte sich jeden Moment befreien, um dem Bild zu entsteigen, mit katzenhafter Geschmeidigkeit ins Zimmer zu treten und mit einem Schnalzen der schmalen, langen Finger eine Zigarette zu verlangen.
«Wie traurig eigentlich», sagte Clemmie. «Er hat sie im Leben verloren und darum ihr Bild immer bei sich behalten.»
«Und an der Stelle hatte die Wand große Risse», fügte der Marquis nüchtern hinzu. «Es wäre schwer gewesen, etwas anderes zu finden, um sie zu kaschieren. Was nichts daran ändert, dass die Theorie vom gebrochenen Herzen romantischer ist.»
Clemmie sah ihn an. «Es tut mir leid, wenn meine Großtante, äh, zweiten Grades, Ihrem Großvater das Herz gebrochen hat.»
«Das ist nicht nötig», erwiderte der Marquis. «Ich bin jedenfalls ziemlich froh darüber, sonst wäre ja die zweite Ehe nicht zustande gekommen.» Als er die verständnislosen Blicke rundherum sah, erklärte er: «Seine zweite Frau war meine Großmutter.»
«Ach, er hat also noch einmal geheiratet?» Clemmie fragte sich, was die zweite Frau davon gehalten hatte, dass die erste immer noch an der Wand hing.
Der Marquis lächelte. «Sie gingen hin, waren fruchtbar und mehrten sich. Ich stehe also tief in der Schuld Ihrer Großtante.»
«Wenn das so ist», sagte Clemmie, «dann freut es mich.»
Der Marquis sah sie an und lachte. «Es ist wohl besser, wenn ich Ihrer Großtante nicht verrate, dass Sie das gesagt haben.»
«Sie sind derjenige, der mit ihr leben muss», versetzte Clemmie, ebenfalls lachend.
«Hey!» Paul trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte. «Das ist ja alles sehr interessant, aber könnten Sie vielleicht mal den Kellner herschicken, damit hier etwas vorwärtsgeht? Wir müssen morgen in aller Frühe los. Termine», fügte er hinzu, als erklärte das alles.
«Natürlich.» Clemmie fand es bewundernswert, wie es dem Marquis gelang, seine Irritation zu verbergen. Er nickte kurz in die Runde. «Genießen Sie den Abend.»
Clemmie war sich nicht sicher, aber sie hatte den Eindruck, dass er ihr zugezwinkert hatte. Sie nahm sich ein Brötchen und riss sich ein Stückchen ab, um daran herumzuknabbern, während sie gegen ein plötzliches Schwindelgefühl kämpfte.
Als Paul nach seinem BlackBerry griff, beugte sich Harold zu Clemmie. «Das ist ja echt cool, dass du mit dem Eigentümer verwandt bist.»
«Nicht richtig», wehrte Clemmie ab. Ihr gefiel das Stirnrunzeln nicht, mit dem Paul auf sein BlackBerry starrte. Es verhieß nichts Gutes. «Ich meine, wir sind nicht blutsverwandt. Es ist einfach einer dieser komischen Zufälle.» Sie neigte sich zu Paul hinüber. «Was ist denn los?»
Paul
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