Ashford Park
ruhig einmal einen anderen Ehepartner ausleihen, aber man gab ihn immer zurück. Da waren die Regeln ganz klar gewesen. Doch jetzt …
«Sie will ihn heiraten», sagte Bea abrupt. «Ganz eindeutig.»
«Dann sollten Sie ihr die Augen auskratzen.» Sie spürte Desboroughs Atem an ihrem Ohr, nicht unangenehm nach Gin riechend.
«Zu offensichtlich. Außerdem würde ihr das nur Teilnahme einbringen. Ich würde als böse Hexe dastehen und sie als unschuldiges Opfer.» Bea schüttelte mit unnötiger Vehemenz ihren blauseidenen Rock auf. «Dieses berechnende kleine Luder.»
«Sie gehen das falsch an», sagte Desborough.
«Ach, und Sie wissen, wie man es besser macht?» Bea maß ihn mit hochmütigem Blick. «Ist das auch so einer Ihrer ritterlichen Impulse?»
«Wie könnte ich einer Jungfrau in Nöten widerstehen?» Er machte eine bedeutungsvolle Pause. «Der springende Punkt ist doch die Eifersucht. Nicht Ihre, sondern seine. Sie müssen ihn eifersüchtig machen.»
Bea knickte auf dem Louis-quinze-Absatz ihres blauseidenen Schuhs um. «Haben Sie nicht gesehen, wie ich vorhin da draußen mit Geordie geflirtet habe? Wenn das ihn nicht eifersüchtig gemacht hat …»
«Warum sollte es? Jeder kann sehen, dass Sie keinen Funken Interesse an Geordie haben.»
«Das ist eine Anmaßung.»
«Aber wahr. Wenn Sie ihn …» Er sah Bea fragend an.
«Marcus», sagte Bea.
«Wenn Sie Marcus eifersüchtig machen wollen, müssen Sie ihm Anlass zur Eifersucht geben. Echten Anlass», sagte er mit Nachdruck.
Bea verspürte einen kleinen Schauder. Echten Anlass. Ein Flirt auf der Tanzfläche reichte nicht aus, es musste echt sein und bis zum Letzten gehen: heiße Küsse; nackte Haut an nackter Haut; mit dem Kitzel, wenn man sich aus dem Ballsaal in einen abgelegenen Korridor stahl; mit der Erregung heimlicher Rendezvous mitten am Tag und dem ganzen faszinierenden Reiz des Verbotenen. Sie erinnerte sich, wie Marcus in Frankreich einmal mit ihr einfach von einem steifen Festessen verschwunden war und sie sich auf einem Balkon geliebt hatten. Dieser herrliche Wahnsinn, dieser unglaubliche Rausch.
Wie lange war es her, dass er sie das letzte Mal angerührt hatte? Mindestens sechs Monate. Nein, länger. Zuerst wurde es als Rücksichtnahme deklariert. Sie hatte das Kind verloren, das sie von ihm erwartet hatte; sie war labil, zumindest sagte das der Arzt. Die Erschütterung über Poppys Tod, eine leichte Influenza, die Fehlgeburt.
Aber Marcus war nicht mehr zu ihr gekommen, nie mehr, und jetzt küsste er Bunny. Bea war es satt, sich behandeln zu lassen wie eine alte Tante, die man aufs Altenteil abschob, um sie dort in Frieden verrotten zu lassen. Warum eigentlich sollte sie einfach dasitzen und warten, bis er sich von ihr scheiden ließ? Warum sollte Marcus den ganzen Spaß haben?
Sie sah Desborough mit hochgezogenen Brauen an. «Sie meinen, was dem einen recht ist, ist dem anderen billig?», fragte sie ein wenig heiser.
Desborough maß sie mit einem langen, forschenden Blick. «Mir scheint, Sie hätten nichts gegen ein billiges Vergnügen.»
Bea blies ihm eine Rauchwolke ins Gesicht. «Wie darf ich das verstehen?»
Er stützte sich mit einer Hand an der Wand hinter ihr ab. «Nehmen Sie es, wie Sie wollen.»
Er war ihr sehr nahe, und er war ganz anders als Marcus, nicht breit und blond wie Marcus, sondern schmal und dunkel. Wie fühlte sich sein Haar wohl unter ihren Händen an? War es weich und seidig oder brillantinesteif? Und wie die Bartstoppeln an seinem Kinn auf ihrer Haut? Würde er anders küssen als Marcus?
Sie legte eine Fingerspitze auf den obersten Knopf seines Hemdes. «Ist das ein Angebot?»
Mit ihren hohen Absätzen war sie beinahe genauso groß wie er. Sein Atem streifte warm ihre Wange. «Ich dachte, Sie halten mich für einen Schuft.»
«Ja», sagte Bea, und ihre Stimme klang viel fester, als sie gedacht hätte. «Aber ich bin auch ein Schuft.»
Anders konnte es nicht sein, wenn es ihr mit dem Gedankenspiel, das sie gerade betrieb, ernst war. Sie hatte immer gern die Mondäne gespielt, aber es war stets nur Theater gewesen. Diesmal musste sie Farbe bekennen.
Bea dachte flüchtig an Addie, die niedergeschlagen nach Hause gefahren war. Addie brauchte es nie zu erfahren. Das hier betraf sie nicht, Frederick Desborough hatte die Verbindung zu ihr schon abgebrochen. Einen netten Geistlichen, sie würde einen netten Geistlichen für Addie finden, einen Mann, auf den man sich verlassen konnte, dem nicht dieser
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