Ashford Park
«Womit Sie mich meinen?»
Bea zuckte mit den nackten Schultern. «Das haben Sie gesagt, nicht ich.»
«Sie besitzen mehr Witz, als Sie zeigen.»
«Besten Dank für Ihre unübertreffliche Gönnerhaftigkeit.» Bea blies eine Rauchwolke in die Luft. «Um noch einmal auf meine Cousine zurückzukommen, sie war völlig verstört, als sie vorhin ging. Was haben Sie denn nun eigentlich zu ihr gesagt?»
«Ich habe ihr gesagt, dass sie mich zum Teufel jagen soll, weil ich nur ein nichtswürdiger Schuft bin. Kurz, ich habe Ihnen Ihre Aufgabe abgenommen.»
«Wie überraschend entgegenkommend von Ihnen.» Bea lehnte sich mit einer Schulter neben ihm an die Wand. «Warum?»
Er starrte über die Tanzenden im Garten hinweg. «Nennen Sie es einen letzten Funken Anstand. Wenn ich mit ihr zusammen bin, komme ich mir vor wie einer dieser armen Bettler, die am Feuer eines anderen ein bisschen Licht und Wärme suchen. In ihrer Seele gibt es keine finsteren Winkel. Sie ist genau die, die sie ist. Sie glaubt an das Gute.»
«Hm», machte Bea. Wenn er damit meinte, dass Addie nie gelernt hatte, sich richtig zu schminken, und sich diversen Gruppen anschloss, die dies oder jenes unterstützten oder anprangerten, ja, dann stimmte das alles.
Desborough schien derweilen ganz entrückt. «Wenn ich mich mit ihr unterhalte, fühle ich mich wieder wie in meiner Studienzeit, als alles einfach war und die Welt noch in Ordnung. Mit ihr kann ich beinahe wieder an die Dinge glauben, an die ich früher geglaubt habe. Vorher.» Er lachte bitter. «Aber das ist eine gefährliche Illusion. Ich weiß nicht, ob ich meinen Kopf in den Ofen stecken werde wie Ken, aber eines Tages wird irgendetwas zusammenbrechen.»
«Und Sie wollen nicht, dass das in ihrer Nähe passiert.» Bea hatte das Gefühl, plötzlich etwas zu erblicken, von dessen Existenz sie bisher nichts geahnt hatte, wie ein urzeitliches Tier, das seinen Kopf aus dem Schlamm hebt. Es beunruhigte sie vage. «Wie ungemein ritterlich von Ihnen.»
Desborough schien sie gar nicht zu hören. «Sie hat so ein unglaubliches Vertrauen. Wussten Sie, dass sie allen Ernstes glaubt, Gedichte könnten der Welt Frieden bringen? Und mit ihrer hirnverbrannten Zeitschrift …»
«Mit ihrer was?», fragte Bea scharf.
Desborough sah sie an, als bemerkte er erst jetzt, dass sie noch da war. «Sie hat Ihnen nichts gesagt? Dann kann ich auch nichts sagen. Vielleicht hat sie geglaubt, es würde Sie nicht interessieren.»
Bea zuckte mit den Schultern und täuschte Gleichgültigkeit vor. «Jedem das Seine.»
Ja, jedem das Seine. Von der Stelle, wo sie standen, hatte sie ungehinderte Sicht auf den Tisch, an dem Marcus und Bunny mit Euan und Barbie Wallace saßen. Bunny wandte sich Marcus zu, und er strich seine Lippen über die ihren, völlig ungeniert, vor aller Augen.
Als ein Kellner mit einem Tablett vorbeikam, nahm Bea sich noch einen Drink. «Das war mal das Meine», murmelte sie undeutlich.
«Was?» Desborough beugte sich vor und wäre beinahe vornübergefallen.
Bea ergriff seinen Arm, um ihn zu halten oder vielleicht auch sich selbst, sie war nicht sicher. Wie viele Cocktails hatte sie getrunken? Sie hatte nicht aufgepasst. Sie war vielleicht eine Spur beschwipster, als sie geglaubt hatte.
«Da drüben», nuschelte sie. «Nein, nicht der Tisch, der andere, hinter dem Topfbäumchen. Wissen Sie, wer das ist?»
«Lord Kitchener?»
«Mein Mann. Theoretisch jedenfalls.» Bea schüttete ihren Drink hinunter und sah sich nach einem neuen um. Desborough reichte ihr zuvorkommend sein Glas. «Praktisch nicht so sehr.»
«Wer ist die Frau?», fragte Desborough.
Ihre kleine Nische hatte ein bisschen was von einem Beichtstuhl, dunkel und still. Und wenn sie selbst schon so betrunken war, dann musste Frederick Desborough noch viel betrunkener sein. Er würde sich morgen früh an nichts mehr von dem erinnern, was sie gesagt hatte. Und es war so eine Erleichterung, endlich einmal jemandem etwas zu erzählen, anstatt die ganze Zeit die glückliche Ehefrau zu spielen.
«Bunny ffoulkes», antwortete Bea. «Erst hat es ihre ältere Schwester Lavinia versucht, aber da habe ich gesiegt. Dann kam Bunny …»
Wer hätte gedacht, dass so etwas passieren könnte? Sie waren verheiratet. Das musste doch etwas bedeuten, sicher nicht ewige Treue, an die glaubte Bea nicht. Aber wenigstens ein Minimum an Diskretion, wenn man schon seine Affären haben musste. So hatte es die Generation ihrer Eltern gehalten. Man durfte sich
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