Ashton, der Heißbluetige
flüchtiger Blick in den Spiegel zeigte einen aschfahlen Teint und vor Mangel an Schlaf rotgeränderte Augen. Wo andere Männer ihre Körper in Wolken aus Puder und Parfüm hüllten, roch Ash nach schalem Bier und Schweiß.
„Du bist wieder mal stinkbesoffen, Merrick“, bemerkte Carr. „Obwohl ich deine Bemühungen sehr wohl zu schätzen weiß. Ich habe eine nette Summe bei der Wette gewonnen, wie viele Flaschen du an einem Abend leeren kannst, bevor du umkippst.“
„Habt Ihr daran gedacht, den Gewinn mit mir zu teilen?“ fragte Ash spöttisch. „Nein? Das dachte ich mir schon.“ Er begann unruhig auf seinem Stuhl hin und her zu rutschen. „Für einen Stuhl, der nicht als Abtritt dient, ist dieser hier aber ganz schön unbequem.“
„Er ist unbezahlbar.“
„Das bezweifle ich“, entgegnete Ash flach. „Ich wette, Ihr könnt dafür einen genauen Preis nennen.“ Er schlang seinen Arm über die Stuhllehne und zog sich daran hoch. „Neu, nicht wahr? Lauter neuer Schnickschnack im Schloss der Familie
- natürlich nicht unserer Familie, das ist mir klar, aber wer sonst sollte das schon wissen?“
„Ich gestalte hier gerade alles ein wenig um“, erklärte Carr kühl. „Du hast nie begriffen, was ich hier zu tun versucht habe. Wie solltest du auch?“
Er schlenderte hinter den Stuhl, auf dem Ash saß, und ließ seine Finger liebkosend über das Holz der Lehne gleiten. „Ich brauche Schönheit wie du den Wein, Merrick. Das Leben ist eine Aneinanderreihung von den Tieren übernommener Verhaltensmuster, aber die Kunst ist eine absichtlich herbeigeführte Veränderung, die nur ein Kenner in der Lage ist zu . . .“
Ash hatte diese Rede schon zuvor gehört. Wenn er einmal diesen Kurs eingeschlagen hatte, war Carr nur durch wenig aufzuhalten. Er hielt seinen Blick auf dessen Gesicht gerichtet, erlaubte jedoch seinen Gedanken, ihren eigenen Wegen zu folgen.
Er hatte nur wenig Zeit gehabt, Carrs Schreibtisch zu
durchsuchen. Er hatte das Rechnungsbuch kurz überflogen und dabei in den fein säuberlich aufgeschriebenen Zahlenreihen zwei Dinge entdeckt: Erstens kostete die Neueinrichtung von Wanton's Blush den Earl wesentlich mehr Geld, als er besaß. Zweitens wurde jedes Quartal in Carrs Büchern der Eingang eines Geldbetrages ungenannter Herkunft verbucht.
Was die Briefe anbetraf, so hatte sich Carrs Schriftverkehr als uninteressant und oft würdelos erwiesen. Bitten um Zahlungsaufschub von Schuldnern überstiegen die Versuche, Einladungen nach Wanton's Blush zu erlangen. Zwischen solchen Briefen befanden sich ausführliche Pläne für stuckverzierte Decken und Marmorfriese, Angebote und Beschreibungen von Architekten, Handwerkern und Gartengestaltern, Zahlungsaufforderungen von Marmorschnitzern und Webern.
Nur eine Nachricht hatte Ashs Aufmerksamkeit erregt, eine knappe Mitteilung von einem der Opfer und Schuldner seines Vaters, niemand anderes als Lord Tunbridge. Der mit der aufgespießten Hand. Nachdem er darum gebeten hatte, die Frist zur Zahlung seiner Schulden um ein paar Monate zu verlängern, hatte Tunbridge seinen Brief mit den Worten geschlossen: „Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um Seine Majestät zu überzeugen, dass Ihr in der Tat bekehrt seid. Das mag einige Zeit in Anspruch nehmen, und während ich mich um Eure Angelegenheit bemühe, bitte ich Euch inständig, auf jeden Fall umsichtig zu handeln.“ Unglücklicherweise hatte Ash, bevor er die Gelegenheit hatte, nach anderen Briefen mit Tunbridges Siegel zu suchen, Carr kommen gehört.
„ . . . Donne könnte sie mir abnehmen.“
Ashs Kopf fuhr auf, bevor er es verhindern konnte. Der Blick seines Vaters ruhte abwartend auf ihm. Carr lächelte schief.
Ash hob die Weinflasche und nahm einen großen Schluck, um seine Reaktion zu kaschieren. „Wen? Fia?“
Er wusste, Carr sprach nicht von Fia, sondern von Rhiannon. Sie verfolgte ihn bis in seine Träume und brachte ihn langsam um den Verstand. Selbst mitten in den wüstesten Gelagen durchlebte er immer wieder den Augenblick, als Carr ihr gesagt hatte, dass er ihn dafür bezahlt hatte, sie nach Wanton’s Blush zu bringen. Immer wieder sah er das zerbrechliche Versprechen ihres Vertrauens zersplittern und bitteren
Zynismus an seine Stelle treten. Und wenn er nicht betrunken war, dann konnte er der Verachtung in ihrer Stimme nicht entkommen, als sie ihm befahl, seine dreckigen Hände von ihr zu nehmen, dort oben auf den Klippen.
Aber am allerschlimmsten war der Moment
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