Ashton, der Heißbluetige
. . .“
„Merrick, Madam. Ash Merrick.“ Er machte eine sehr elegante Verbeugung. Edith strahlte ihn an.
Sie war von schlichtem, aber liebenswürdigem Wesen und zögerte, über andere hart zu urteilen. Stattdessen nahm sie unweigerlich erst einmal das Beste von ihren Mitmenschen an. Wenn Rhiannon an dem Gelächter des Herrn keinen Anstoß nahm, dann gab es daran, soweit es sie anbetraf, keinen Anstoß zu nehmen.
„Ach ja, natürlich. Und wen, sagten Sie, vertreten Sie, Mr. Merrick?“
„Er ist kein Anwalt, Madam.“ Rhiannon kam an Ediths Seite und hakte sich bei ihr unter.
„Nein?“ fragte Edith, und es gelang ihr nicht, ihre Enttäuschung zu verbergen. Sie hatte sich solche Hoffnungen gemacht. „Dann gibt es wohl keine Diamantbrosche? Noch nicht einmal eine ganz kleine Leibrente?“
Rhiannon stieg die Röte in die zart gebräunten Wangen. „Nein, Madam.“
„Brosche?“ erkundigte sich Ash Merrick.
Edith wandte sich erklärungsheischend an Rhiannon. „Nun, wenn er keine Brosche für dich gebracht hat und auch kein Anwalt ist, wer ist er dann?“
„Er ist Lord Carrs Sohn, Madam“, warf Ash Merrick ein.
Edith fuhr bei der mit seidenweicher Stimme geäußerten Feststellung herum, bestürzt über den soeben von ihr begangenen Verstoß gegen die guten Manieren. Es bereitete ihr keine Schwierigkeiten, den Grund für die stählerne Härte in seinem Ton zu erkennen: Man hatte über ihn gesprochen, als wäre er nicht anwesend. Woher dagegen seine Belustigung rührte, konnte sie sich nicht denken.
„Und wer ist Lord Carr?“ fragte Edith. Londoner Gentleman hin oder her, dieser junge Mann hatte etwas an sich, das sie beunruhigte.
„Lord Carr ist Miss Russells rechtmäßiger Vormund“, antwortete er. „Ich bin in seinem Auftrag hier, sie zu holen.“
„Was?“ Edith keuchte auf. Mit der Erinnerung kam auch eine Welle heftiger Empörung. „Merrick, sagtet Ihr?“
Rhiannon nahm ihre Hand. „Madam, bitte erregt Euch nicht . . .“
„Merrick!“ stieß Edith aus und wollte sich auf ihn stürzen, nur um von Rhiannon zurückgehalten zu werden. „Jetzt weiß ich wieder, warum mir der Name bekannt vorkam. Das ist doch der Name des Kerls, der sich geweigert hat, Rhiannon bei sich aufzunehmen, als sie vor Cumberlands Männern auf der Flucht war. Rechtmäßiger Vormund, in der Tat. Eher ein kaltherziger Schuft, Sir!“
„Bitte, Madam“, sagte Rhiannon flehentlich. „Alles wird gut. . .“
Edith fuhr herum und riss Rhiannon in eine erdrückende Umarmung, ihr Gesicht fest an ihren weichen, fülligen Hals drückend, während sie über den Kopf ihrer Pflegetochter hinweg Ash Merrick mit finsteren Blicken bedachte. Das arme, süße, mutterlose Mädchen.
„Ein Schurke, das ist dieser Mann.“
Rhiannon murmelte etwas Unverständliches an ihrem Hals.
„Ein gefühlloser Rohling, ein . . .“
„Dem kann ich nur zustimmen“, unterbrach Ash Merrick sie gelassen.
Edith starrte ihn mit offenem Mund an, und ihre Arme erschlafften, so dass Rhiannon den Kopf heben und nach Luft schnappen konnte.
„Unglücklicherweise steht seine Tauglichkeit als Vormund nicht zur Debatte“, bemerkte Merrick. „Miss Russells Zukunft dagegen schon. Obwohl ich nicht leugnen kann, dass sie die Pläne meines Vaters sehr geschickt umgangen hat.“ Edith musterte ihn argwöhnisch. „Wie meinen Sie das, Sir?“
„Miss Russell sagte mir, ihre Hochzeit stünde kurz bevor.“ „Aye, das stimmt.“ Edith reckte ihr Kinn kampflustig vor. Wenn dieser Kerl da vorhatte, wahrer Liebe Steine in den Weg zu legen, dann musste er sich erst mit ihr auseinander setzen. „In drei Wochen, gleich nach dem ersten Mai, werden sie und Phillip Watt heiraten, aber ich begreife nicht.. .“ Dann dämmerte es ihr mit einem Mal. „Oh . . .“ hauchte sie leise. „Ich verstehe. Aye.“
„Ja“, erwiderte Rhiannon besänftigend. „Alles ist in Ordnung, Madam.“
„Das gräbt Carr das Wasser ab, nicht wahr?“ sagte Edith zu dem jungen Mann. Seine Miene wies ihn eindeutig als Mitverschwörer aus. „Ich meine, schließlich kann niemand ein Mädchen einfach aus dem Ehebett zerren, nicht wahr?“
Sein Lächeln war mehrdeutig. „Darauf würde ich mich nicht unbedingt verlassen.“
„Sir?“
„Natürlich würde er das nicht tun“, erwiderte er ruhig. „Das würde einen zu großen Aufruhr verursachen. Nein, mein Herr Vater wird ganz einfach seine Pläne aufgeben müssen -worin auch immer diese bestanden haben.“
Edith ließ Rhiannon
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