Ashton, der Heißbluetige
nicht.
Sie ließ sich zurücksinken und fühlte sich zugleich großmütig, gerührt und überhitzt. Um sie herum vergnügte sich ihr „Hofstaat“, trank und sang. Sie kannte sie alle. Einen jeden. Hier war ihr Zuhause. Diese Leute waren ihre Familie. Gleichgültig, welche Geister aus ihren Gräbern heraus nach ihr riefen und welcher Mann viel erdverbundenere Gefühle in ihr wachrief, hier wurde sie geliebt und geachtet, hier war sie in Sicherheit.
Eine unsichere Hand reichte über Rhiannons Schulter und kippte Maiwein in ihren Kelch. In ihren königlichen Kelch.
„Auf die guten Leute von Fair Badden“, rief sie. Damit griff sie mit beiden Händen nach dem billigen Zinnkelch und schüttete sich seinen Inhalt in einem einzigen, langen Zug die Kehle hinunter.
„Lang lebe Königin Rhiannon!“ johlte die Menge.
„Und ihr König. Vergesst den König nicht“, verkündete Phillip, und ein Funken Leben brachte seine Augen zum Leuchten.
Nicht, dass sie es nötig gehabt hätten, zum Leuchten gebracht zu werden. Phillip hatte wahrhaft leuchtend blaue Augen. Sehr schön. Wirklich nett. Und sie durfte sich glücklich
- nein, verbesserte sich Rhiannon ernsthaft -, sie durfte sich vom Schicksal begünstigt schätzen, dass sie die Frau war, die mit ihnen . . . ihm verheiratet werden würde. Sie griff neben sich, um ihren Kelch erneut zu füllen.
Phillip lächelte ihr verschwommen zu, so als könnte er im Augenblick nicht so recht sagen, wer sie eigentlich war, wüsste aber trotzdem, dass sie eine Rolle in seinem Leben spielte. „Hübsche Rhiannon. Hübsche Königin“, erklärte er herzlich. „Der Liebling aller. Mich beneiden alle.“
Ohne Vorwarnung legte er ihr mit einem Mal seine große Hand in den Nacken. Durch sein Ungestüm von ihrem Thron gestoßen, warf sie ihm die Arme um den Hals, um zu verhindern, dass sie völlig unköniglich auf ihrem Allerwertesten landete. Als er seinen Mund mit einem lauten, nassen Schmatzen auf ihren drückte, brach die Menge in Begeisterungsstürme aus.
Er küsste sie weiter. Fordernd, kraftvoll und seltsam leidenschaftslos, doch Rhiannon - leicht benommen, aber durchaus willig - ließ ihn gewähren. Schließlich ließ er sie los.
„Du wirst eine gute Königin sein, nicht wahr, meine Liebe?“ fragte er.
Dann tätschelte er ihr ungelenk die Wange, während er ängstlich auf ihre Bestätigung wartete. Seine plötzliche Unsicherheit weckte schneidende, sengende Schuldgefühle in Rhiannon, die durch die Nebel ihrer benommenen Bereitwilligkeit drangen. Unfähig, seinem flehenden Blick zu begegnen, schaute sie fort und sah so eine dunkle Männergestalt jählings in der Finsternis hinter den Lichtern des Zeltes verschwinden.
Das war er nicht. Das war nicht Ash.
„Wir werden hier leben und glück. . . zufrieden sein. Ich werde dir ein guter Ehemann sein“, sagte Phillip gerade. „Du könntest es nicht besser treffen.“
Er hatte Recht. Sie heiratete über ihren Stand hinaus -besser, als man es sich je hätte erwarten dürfen. Und sie würde . . . zufrieden sein. Warum konnte sie ihren Blick dann einfach nicht von der Stelle abwenden, wo die dunkle Gestalt verschwunden war?
Sie schaute zu Phillip zurück, aber der war schon wieder auf seinem Thron in sich zusammengesackt, und die Augenlider senkten sich über seine großartigen blauen Augen. Eine Sekunde später schnarchte er. Sie glitt von seinem Schoß und betrachtete ihn voller Scham. Jedes Mal, wenn Ash Merrick in der Nähe war, vergaß sie ihren zukünftigen Ehemann einfach.
Dieser verfluchte Ash Merrick. Verflucht seien sein aufblitzendes Lächeln und der vorsichtige Ausdruck in seinen Augen. Verflucht seien seine kraftvolle Gestalt und sein zärtlicher Mund. Verflucht sei der ganze Mann, der das bloße Wort „zufrieden“ blass und lachhaft erscheinen ließ. Verflucht sei er dafür, dass er den Kuss als Belohnung eingefordert hatte. Und verflucht sei er, dass er es dabei belassen hatte.
Wo, zum Teufel, steckte der Mann überhaupt? Rhiannon suchte die Menge um sich herum mit den Augen ab. Er war zu der Feier eingeladen worden. Er sollte hier sein.
„Bin ich jetzt die Königin, oder bin ich es nicht?“ verlangte sie von ihrer Hofkuh zu wissen. Statt einer Antwort pflückte Molly ihr noch einmal die Blütenkrone vom Kopf. Diesmal überließ Rhiannon sie ihr. „Wozu ist eine Krone schon gut, wenn die Trägerin nicht auch herrscht?“ fragte sie laut.
Die Menge sah bei diesem Ausbruch erwartungsvoll zu ihr auf, zu
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