Ashton, der Heißbluetige
geschluchzten „Lebewohl“. Zu dem Zeitpunkt, als er die Augen wieder aufschlug, war sie bereits durch die Küchentür verschwunden.
Er sank gegen den Tisch, um sich abzustützen, da ihm klar wurde, was sie dachte. Sie hielt ihn für ihren Liebhaber, einen zärtlichen, umsichtigen Gefährten in der Schuld, und der Kuss war seine Abfindung gewesen, eine Erinnerung. Seine Lippen verzogen sich zu einem bitteren Lächeln.
Absurd. Entsetzlich naiv. Unerträglich naiv.
Er hatte sie in Besitz genommen. Er hatte bekommen, was er gewollt hatte. Es war höchste Zeit, dass er sich daran erinnerte, warum er hier war und wo er hingehen würde. Er sollte in London sein, an den Spieltischen, und das Lösegeld für Raine verdienen, anstatt sich hier nach irgendeinem Frauenzimmer zu verzehren, das sich völlig falschen Vorstellungen hinsichtlich seines Charakters hingab.
Ash ballte seine Hände zu Fäusten, und die Narbenbänder an seinen Handgelenken schimmerten weiß. Er sah sich gehetzt in der Küche um, als sei er auf der Suche nach einem Fluchtweg.
Er musste an Raine denken. Er hatte seiner Mutter versprochen, er würde auf ihn aufpassen, und dabei konnte er im Augenblick noch nicht einmal sagen, ob sein Bruder überhaupt noch am Leben war. Mit einer jähen Bewegung fegte Ash den Krug mit Milch vom Tisch, so dass er klirrend auf dem Boden zerbarst. Wie der vorwurfsvolle Blutfleck verlorener Unschuld ergoss sich die Milch über die Dielen und versickerte in der Erde darunter. Verdorben. Verloren. Vergangen.
Mit festen Schritten verließ er die Küche, ging über den Hof zum Stall, wo er dem Stalljungen befahl, sein Pferd zu satteln.
Auf dem Marktplatz herrschte verschlafene Betriebsamkeit, die geröteten Wangen verschiedener junger Männer und Mädchen legten Zeugnis davon ab, dass der Tanz um den Maibaum erst vor kurzem geendet hatte. Watt und seine Freunde hatten sich um einen rechteckigen Tisch vor dem Gasthaus „The Ploughman's Inn“ versammelt.
Gut, dachte Ash. Mit nur wenig Mühe müsste es ihm gelingen, den Schaden, den sein übel beratener Vortrag jenes abscheulichen Liedes gestern Nacht zusammen mit St. Johns Klatsch angerichtet hatte, wieder zu beheben. Schließlich waren sie alle ein leicht lenkbarer, ländlich einfältiger Haufen.
Vage fühlte er bittere Selbstverachtung in seiner Kehle aufsteigen. Er schluckte sie herunter, so wie er alles Schlechte in seinem Leben geschluckt hatte, und nahm sie hin. Watt wollte ihn mögen.
Absichtlich ließ er seinen Blick nicht auf Rhiannon verweilen, die neben Watt saß und sich um sein verletztes Bein kümmerte. Phillip bedeckte ihre Hand mit seiner, beugte sich vor, um ernsthaft mit ihr zu sprechen. Sie waren völlig ineinander versunken, taub allem anderen gegenüber, aber Ashs Ohren waren ausgezeichnet.
„ . . . natürlich musst du heute Nachmittag mitreiten, Rhiannon“, sagte Phillip. „Ich weigere mich, dir zu erlauben, wegen meiner Verletzung zurückzubleiben. Außerdem hat Vater diese ganze Jagd einzig und allein deinetwegen angesetzt. Wirklich, Rhiannon, du musst gehen. Ich bestehe darauf.“
Sie fuhr sich mit dem Rücken ihrer freien Hand über die Wangen, um die Tränen fortzuwischen. Ash musste den verrückten Drang bekämpfen, zu ihr zu eilen, sie in seine Arme zu reißen und ihr die Tränen vom Gesicht zu küssen.
„ . . . wirklich, das ist zu freundlich von dir, Phillip“, antwortete sie. „Ich verdiene dich nicht.“
Phillip tätschelte ihr unbeholfen die Wange. „Es ist in Ordnung. Das liegt nur an den ganz gewöhnlichen Sorgen, die sich alle Bräute so kurz vor der Hochzeit machen. “
Sie wurde blutrot und entzog ihm ihre Hand. Ash sah genau, in welchem Augenblick ihr Ehrgefühl über ihren gesunden Menschenverstand siegte. „Phillip, ich muss dir etwas sagen. . .“
Das durfte sie nicht tun.
„Watt!“ rief Ash.
Rhiannon blickte auf. Ihre Lippen sahen geschwollen aus.
„Miss Russell.“ Ash nickte ihr grüßend zu. „Wollt Ihr Euch nicht an dem fröhlichen Spiel beteiligen, das Miss Chapham begonnen hat?“
Er lächelte strahlend. Sie bedurfte dringend einiger Lektionen im Betrügen. Sie sollte sie am besten rasch lernen. Bevor sie in Phillips Bett stieg. Er richtete seinen Blick wieder auf Watt. Der blonde Riese betrachtete ihn verstimmt.
„Watt“, sagte Ash, „wenn Ihr nicht Sorge dafür trefft, die Besucher vor dem Gehalt des Gebräus, das Ihr hier servieren lasst, zu warnen, werden die Esel vor dem Friedensrichter
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