Asmoduin: Nervensäge aus der Hölle
Tür.
Sektorian Sekundus sah aus wie ein dürrer, rückenkranker Vogel. Das zumindest ging mir bei seinem Anblick durch den Kopf. Er war erschreckend hager, das Gesicht rings um die spitze Hakennase ausgemergelt, über den Ohren standen wirre Büschel grauen Haars vom Kopf ab. Um seine dürren Glieder schlotterte etwas, das einst ein Hausmantel gewesen sein mochte, seine nackten, stark behaarten Füße steckten in ausgelatschten Gesundheitssandalen.
»Ich, äh, bin mir nicht sicher, ob ich hier …«, begann ich zögernd.
»Ob du mit deinem Problem bei mir richtig bist?« Sekundus lachte krächzend. »Und
wie
richtig du hier bist! Wenn sich die Sache so verhält, wie Bethany es mir geschildert hat, dürfte es niemanden in dieser Stadt geben, bei dem du besser aufgehoben wärst. Komm herein.«
Er wich zur Seite, und ich betrat den dämmrigen Flur. Während hinter mir ein neuerliches Konzert klackernder Riegel und Sicherheitsketten ertönte, ging ich durch bis in ein kleines, altmodisch eingerichtetes Büro. Auf einem Schreibtisch waren wacklige Türme aus Ablagefächern und Karteikästen gestapelt, die Arbeitsfläche war bedeckt mit Papier. Inmitten des Chaos thronte eine mechanische Schreibmaschine, wie man sie eigentlich nur noch im Museum zu sehen bekam. Es roch nach feuchter Pappe, Mottenkugeln und Staub.
Viel Staub.
Erneut kamen mir Zweifel, wie dieser komische Kauz, für den die Zeit irgendwann vor dreißig Jahren stehen geblieben zu sein schien, mir behilflich sein sollte.
Hinter mir betrat Sekundus mit schlurfenden Schritten den Raum.
»Sie, äh … führen Haushaltsauflösungen durch, Mr Sekundus?«, fragte ich, weil ich das Gefühl hatte, irgendetwas sagen zu müssen. Immerhin war er ein Freund von Oma Bessie.
»Wie? Oh, ja. Wenn jemand stirbt oder ins Pflegeheim muss, kümmere ich mich um Abtransport und Verkauf seiner Möbel und sonstiger Wertgegenstände.« Sekundus schlurfte zu einer Tür am hinteren Ende des Büros. »Aber deswegen bist du nicht hier.«
Ich folgte ihm in ein enges, grau gestrichenes Treppenhaus. Sekundus stieg einige Stufen hinab Richtung Keller, dann hielt er inne und drehte sich mit großen Augen zu mir um. »Du wirst wirklich und wahrhaftig heimgesucht? Von einer non-visuellen, dämonischen Entität?«
Ich sah ihn verständnislos an.
»Ich meine, es hat sich tatsächlich etwas an dich gehängt? Eine unerklärliche, geisterhafte Präsenz?«
Präsenz
– dieses Wort hatte auch Oma Bessie benutzt. Ich nickte zögernd.
»Exorbitant!« Sekundus klatschte in die Hände. »Wenn du wüsstest, wie lange ich auf eine solche Gelegenheit gewartet habe!« Aufgeregt schlurfte er die Stufen weiter hinab.
Am Fuß der Treppe erwartete mich eine Überraschung: Statt einer weiteren Rumpelkammer im Stil des oberen Stockwerks betraten wir einen pieksauberen, hell erleuchteten Raum. Deckenhohe, stählerne Bücherschränke mit gläsernen Türen bedeckten die Wände, eine einzelne, auf beiden Seiten mit dicken Wälzern bestückte Regalwand ragte frei stehend in der Mitte auf. Im klinischen Licht farbloser Lampen reihten sich Tausende, wenn nicht Zehntausende Bücher aneinander. Staunend erkannte ich ledergebundene Wälzer, dicker als mein Oberarm. Ich sah Bücher mit metallenen Schließen, speckig glänzende Leineneinbände und goldgeprägte Prunkbände. Kein einziges Stück wirkte jünger als fünfzig Jahre, manche mochten gut und gern zehnmal so alt sein.
»Was ist das?«, brachte ich hervor. »Und jetzt sagen Sie bloß nicht ›Bücher‹!«
»Was du hier siehst«, erwiderte Sekundus mit hörbarem Stolz, »ist die größte Sammlung historischer Druckwerke zu einem bestimmten Themenbereich, die du in ganz Europa finden wirst, möglicherweise auf der ganzen Welt.«
»Zu einem bestimmten Themenbereich?«, wiederholte ich.
Sekundus nickte gewichtig. »
Ars Diaboli
– die teuflischen Künste! Nahezu jedes Buch, das je über die Beschwörung oder Bannung von Dämonen, Geistern oder sonstigen übernatürlichen Erscheinungsformen verfasst wurde, befindet sich in diesem Raum. Ich besitze Werke aus sämtlichen Epochen, darunter sogar einige Handschriften aus der Zeit vor der Erfindung des Buchdrucks.«
Ich verengte die Augen. Nahezu alle Buchrücken waren mit fremdartigen Symbolen und Schriftzeichen versehen – Dreizacke, stilisierte Augen, flammende Runen und so weiter –, und nicht wenige davon sahen auf unbestimmte Weise
unheilvoll
aus. Die meisten waren in unverständlichen Sprachen
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