Assassine - Hüterin des Drachenbaums (German Edition)
Richtungen und waren so zahlreich wie die Mücken im Schwarm einer Spätsommernacht. Gespannt beobachtete sie das Spektakel und fragte sich, was nun wohl geschah. Die ersten Leuchtkugeln überflogen die Mauern und trafen auf die Häuser. Mit einem Knall zerbarsten die Geschosse und hüllten die Gebäude in ein wahres Inferno aus Hitze und Feuer. »Es hat also begonnen!«, dachte sie grimmig. Der vorbereitende Angriff der Katapulte war im Gange, in Kürze würden sich die großen Blöcke der Fußsoldaten in Bewegung setzen und versuchen, die Mauern zu nehmen. Sie musste nun schnell handeln, wenn ihr Plan aufgehen sollte. Mit einem Sprung war sie aus dem Fenster und krallte sich wie eine Spinne an den vorstehenden Steinen fest. Ihre Beine baumelten zunächst im Wind, bevor sie mit den Füßen Halt fand. Das tosende Geräusch des Feuersturms umbrauste sie und Hitze wurde zu ihr hinaufgetragen. Die Gassen der Stadt waren zu regelrechten Schmelztiegeln geworden und alles, was hineingeriet, wurde zu Asche verbrannt. Sie dachte an Nareil und Konrad. Hoffentlich waren beide so schlau und suchten in den geheimen Gewölben Zuflucht. Aber wenn es wirklich brenzlig wurde, konnten sie auch versuchen, mit Mirx zu flüchten, den sie zur Sicherheit bei ihnen gelassen hatte.
Fuß um Fuß bewegte sie sich an der Steinmauer entlang. Ihr Atem ging vor Anstrengung nur stoßweise. Nun waren auch die Einschläge von großenFelsbrocken zu hören, die durch die wackligen und nicht sehr stabilen Gebäude der Menschen fegten. Jeder Stein verursachte einen Splitterregen in seiner Umgebung, vor dem nicht einmal die härteste Rüstung schützte. Doch darauf konnte sie jetzt nicht achten. Immer weiter erkämpfte sich die Assassine ihren Weg in Richtung des nächsten Turmfensters. Wieder Einschläge – diesmal ganz nah. Ein Zittern ging durch den Teil des Palastes, an dessen Außenmauer Ari hing. Geschrei drang zu ihr hinauf. Es musste aus dem schönen Innenhof stammen, den sie anfangs so schnell hatte durchqueren müssen. Sie hielt inne, um sich ein wenig auszuruhen, und drehte den Kopf, sodass sie sehen konnte, was dort unten geschah.
Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie schön der Hof gestaltet war. Vier Rosenbeete, die sich in perfekter Geometrie gegenüberlagen und deren Farben das Wappen des Kaisers erkennen ließen. In der Mitte war ein großer Springbrunnen angelegt. Eine nicht näher bestimmbare Figur thronte an dessen Spitze. Sie hielt ein Füllhorn in beiden Händen, aus dem ununterbrochen Wasser sprudelte. Der Überlauf wurde in Bahnen gelenkt, die in schmalen Kaskaden zu den Rosenbeeten führten und in kleinen Teichen endeten. Soldaten bewegten sich auf den weißen Wegen, die die Kunstwerke untereinander verbanden. Wie kleine Insekten, die aufgeschreckt worden waren, wuselten sie hin und her, ruderten mit den Armen und wedelten mit ihren Waffen. Ein Zischen drang an Aris Ohr und kurze Zeit später schlugen zwei der Feuerbomben im Innenhof ein. Das Inferno verschlang alles in wenigen Augenblicken. Schmerzens- und Todesschreie mischten sich unter das Säuseln des Windes, von dem Ari umspielt wurde. Alles stand in Flammen, die Schönheit dieses Gartens war Vergangenheit und nichts war mehr so, wie es einmal war.
Angewidert von der Zerstörung, aber mit neuem Mut beschleunigte sie nun ihre Versuche, das nächste Fenster zu erreichen. »Es muss enden. Dieser Wahnsinn muss ein Ende haben«, hämmerte es immer wieder in ihren Gedanken. Mit einer unglaublichen Kraftanstrengung stieß sie sich ab und flog förmlich das letzte Stück Weg an das nächste Sims. Sie ließ sich ausbaumeln, um sich dann schnell hinaufzuziehen.
Hockend betrachtete sie den Raum, der vor ihr lag. Große Kerzen erhellten den Raum. Die Mauern waren nicht zu sehen, da unzählige Wandteppiche in allen Größen und Formen davor hingen. Die Einrichtung war für einen Kaiser spartanisch. Direkt unter dem Fenster stand ein wackliger Schreibtisch, vor dem ein kleiner Hocker platziert war. Pergamente mit Gekritzel und verschiedene Siegel lagen darauf herum. Schöne Schreibfedern, deren Spitzen größtenteils abgebrochen waren, verteilten sich dazwischen. Ein Himmelbett, das mit blauem Samt drapiert war, stand an der Wand neben dem Tisch. Die Decken und Laken waren zerwühlt. Eine große alte Holztruhe war am Fußendedes Bettes. Der Deckel war offen und gab einen Blick auf prächtige, edle Gewänder frei, die achtlos hineingeworfen worden waren. Mitten im Raum befand sich ein
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