Assassini
bischöflichen Berater umfunktioniert. Ein ehemaliges Empfangszimmer mit prächtiger Aussicht auf die Madison wurde der Konferenzraum des Tribunals der Erzdiözese. Das einstige Speisezimmer wurde in den Gerichtssaal des Tribunals umgewandelt, und die ehemalige Bibliothek wurde zur Kanzlei. In den Räumen, auf den langen Fluren wucherte der vielgestaltige kirchliche Organismus.
Doch die Zeiten änderten sich. In den siebziger Jahren hatte der Immobilienboom der sechziger einen katastrophalen Einbruch erlitten, und die Kirche sah sich außerstande, die Villard-Häuser abzustoßen. Wieder wurden sie geräumt und standen leer. Ihre einzige Bedeutung war eine jährliche steuerliche Belastung in Höhe von siebenhunderttausend Dollar. Sie wurden zu einem akuten finanziellen Problem.
Die Gebäude wurden schließlich von Harry Helmsley vor dem drohenden Abriß gerettet. Er unterbreitete der Kirche das Angebot, die Villard-Häuser und die dazugehörigen kirchlichen Besitztümer zu mieten, um dort ein Hotel zu errichten. Die Erzdiözese unterstützte Helmsley bei der Lösung der bürokratischen Probleme, so daß die Häuser schließlich unversehrt erhalten blieben. Das Grundstück blieb nach wie vor im Besitz der Kirche, und Helmsley hatte einen langfristigen Mietvertrag abgeschlossen. Um die Villard-Häuser herum ließ er sein Hotel errichten.
Wie ein Renaissancefürst gab er ihm den Namen ›The Helmsley Palace‹.
Und diesen Palast betrat nun Curtis Lockhardt von der Fünfzigsten Straße aus. Er durchquerte die stille, prunkvolle Eingangshalle mit ihren Spiegeln und der französischen Walnußholzvertäfelung, wandte sich dann nach rechts und ging in den kleinen, abgetrennten Raum, in dem sich der Schreibtisch des Concierge und die gesonderten Aufzüge befanden, die in die obersten Etagen führten.
Es war typisch für Andy Heffernan, daß er die rundum verglaste, luxuriöse und vor allem diskrete Penthouse-Wohnung, die sich in kirchlichem Besitz befand, als Treffpunkt gewählt hatte. Curtis Lockhardt war auch in der großen Politik zu Hause und somit eine von Monsignore Heffernans weltlichen Trumpfkarten; aus diesem Grunde wollte der Geistliche die Sicherheits- und Geheimhaltungsvorkehrungen so streng wie möglich halten. Es ging in den bevorstehenden Gesprächen um eine derart große Summe, daß man es sich nicht leisten konnte, auch nur das leiseste Gerücht an die Öffentlichkeit dringen zu lassen. Die Wahl des nächsten Papstes stand bald bevor, und mit nichts anderem hatte das Geld zu tun, über das die beiden Männer reden wollten. Hätte man sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite getroffen, in St. Patrick’s – die Gerüchteküche hätte sofort zu brodeln begonnen. Macht, Luxus, Weltlichkeit und Verschwiegenheit; das alles verkörperte Monsignore Heffernan.
Lockhardt wußte, daß die Dunhill-Monte-Cruz-200-Zigarren und der Remy-Martin-Cognac, Andys Lieblingsmarken, schon bereitstanden. Monsignore Heffernan pflegte öfters – in kleinerem Kreise und ganz im Vertrauen – zu bemerken, daß man alle Vergünstigungen in Anspruch nehmen müsse, die man bekommen könne, und je mehr man sich davon nehme, desto mehr bekomme man.
Auf der fünfundvierzigsten Etage stieg Lockhardt aus dem Lift und ging über den tiefen, flauschigen Teppichboden zum Ende eines langes Korridors, der parallel zur Madison Avenue verlief. Nichts wies darauf hin, daß sich hinter einer der Türen irgend etwas Außergewöhnliches befand. Er drückte auf den Türsummer und wartete. Aus dem kleinen Lautsprecher sagte eine Stimme: »Kommen Sie herein, Lockhardt, alter Junge.« Es klang fast so, als hätte der gute Monsignore sein Mittagessen bereits in Form eines doppelten Martini genossen.
Obwohl an Luxus gewöhnt, war Lockhardt immer wieder von dem Anblick beeindruckt, der sich ihm nun bot. Er stand oben auf dem Absatz einer Wendeltreppe mit einem kunstvoll geschnitzten Handlauf. Das riesige Zimmer unter ihm war zwei Stockwerke hoch und rundum verglast, so daß sich ein atemberaubender Ausblick auf Manhattan bot, das sich dem Betrachter von hier oben wie eine Reliefkarte präsentierte.
Das Empire State Building, die eigenwillige Spitze des Chrysler Building, die moderne, kühle Sachlichkeit der beiden Türme des World Trade Center; weit draußen auf der Bucht die Freiheitsstatue, Staten Island, die Küstenlinie Jerseys …
Radio City, Rockefeller Center, der hell leuchtende Fleck der Kunsteisbahn … und fast genau unter ihnen lag
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