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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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eine Spezialanfertigung, die ein berühmter Filmstar ihm geschenkt hatte – einen rhythmischen Piepton aussandte, der Calixtus daran erinnerte, daß der erste seiner Besucher im Vorzimmer darauf wartete, eingelassen zu werden.
    Er zog eine antike Cloisonne-Pillendose aus der Tasche und grübelte über die Ironien des menschlichen Verhaltens nach. Er hatte schon immer über Mehrdeutigkeiten, Ironien, Absurditäten sinniert; das brachte sein Amt mit sich. Nicht zum erstenmal glaubte er, daß er als gottesfürchtiger, frommer Mann besser dran gewesen wäre, zumal er sich dann leichter mit der absurden Natur des päpstlichen Amtes hätte abfinden können. Aber Gottesfürchtigkeit und Frömmigkeit waren keine Bedingungen im Rahmen der Tätigkeitsbeschreibung für einen Papst im ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert.
    Der Kaffee war ein Anregungsmittel, auf das er nicht verzichten wollte, das aber zumeist die Wirkung hatte, seine Angst zu steigern. Bei den Tabletten in der kostbaren kleinen Schachtel handelte es sich um Beta-Blocker, ein Medikament namens Propranolol. Diese Substanz verlangsamte die Pulsfrequenz, verhinderte, daß seine Hände feucht wurden und zitterten, und sorgte dafür, daß seine Stimme fest und entschlossen klang. Zudem verhinderte sie, daß er in schwierigen, entscheidenden Situationen nervös wurde. Er nahm eine Tablette, spülte sie mit einem Schluck kaltem Wasser hinunter und machte eine kurze Eintragung auf einer Liste, die er dann zurück in die Tasche schob. Er hatte jetzt seine Herztabletten, ein blutdrucksenkendes Medikament und den Beta-Blocker genommen.
    Du hättest der erste synthetische Papst werden können, wenn dir noch ein bißchen mehr Zeit verblieben wäre, dachte er mit einem Anflug von Galgenhumor.
    Er griff nach dem Telefonhörer und sagte zu seinem Sekretär: »Führen Sie Seine Eminenz jetzt bitte herein.«
    Manfredi Kardinal Indelicato hatte den kleinen Mann schon immer eingeschüchtert, der nichts weiter als der unbedeutende Padre di Mona gewesen war, als Indelicato in den vierziger Jahren schon ein gutes Stück auf der Karriereleiter des Vatikans hinaufgestiegen war, damals, als der strenge, asketische Pius noch an der Spitze der kirchlichen Hierarchie gestanden hatte. Einige Leute waren der Meinung, daß Indelicato seine Persönlichkeit ganz an der des seligen Pius orientiert und sie entsprechend herausgebildet habe, aber hierin irrten sie. Indelicato war im Unterschied zu Pius von hoher Geburt; der Stammbaum der vornehmen, äußerst wohlhabenden Familie Indelicato ließ sich bis ins frühe Mittelalter zurückverfolgen. Der Kardinal war ein Mann von unglaublichem Reichtum, dem unter anderem eine riesige Villa gehörte, der ein Heer von Bediensteten unterhielt und dennoch das Leben eines Asketen führte. Von Intelligenz, Charakter, Herkunft, Erscheinen und Auftreten her gesehen, schien er der geeignetere Mann. Geeigneter als Pius und als di Mona. Aber Sal di Mona war der Papst, und nur das allein zählte. Wenn di Mona sich das nur immer in Augenblicken, in denen es darauf ankam, bewußt machen könnte!
    Er schaute auf, blickte in Indelicatos bleiches Gesicht, auf das straff zurückgekämmte schwarze Haar, das der Kardinal wahrscheinlich färbte, in die Augen, die einen so starren und durchdringenden Ausdruck hatten wie die Augen eines Raubvogels, aufmerksam, geduldig lauernd, ständig bereit, blitzschnell mit dem Schnabel zuzustoßen, um irgend etwas Kleines und Pelziges und Ängstliches aufzuspießen. »Heiligkeit«, sagte er leise, und dennoch klang dieses Wort aus seinem Munde irgendwie bedrohlich. Indelicato besaß die Fähigkeit, mit jeder Geste, jedem Wort Bedrohlichkeit auszustrahlen.
    »Nehmen Sie Platz, Manfredi. Stehen Sie hier nicht so bedeutsam herum.« Calixtus versuchte wie immer, die Spannung dadurch zu lockern, indem er den Kardinal mit Vornamen anredete und ihn mit zurückhaltender Herablassung und sanftem Spott behandelte. Indelicato setzte sich und schlug die langen, dünnen Beine übereinander. »Ihr Freund Saint Jack wird in ein paar Minuten eintreffen. Haben Sie getan, worum ich Sie gebeten habe?«
    Die Andeutung eines Nickens war Indelicatos ganze Antwort.
    »Dann würde ich gern Ihren Bericht hören.« Der Papst nahm ebenfalls Platz, lehnte sich zurück und faltete die Hände im Schoß. Er fragte sich, ob es zu spät war, Manfredi Indelicato, den gefürchtetsten Mann des Vatikans, Leiter des vatikanischen Sicherheits- und Geheimdienstes, endlich zu

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