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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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Welt.« Es war ein eingeübter Spruch, doch Richter lächelte und blickte für einen Moment aus dem Fenster auf die Lastkräne und Frachtschiffe und Fahrzeuge und Arbeiter; dann wandte er sich um. »Was kann ich für Sie tun, Mister Driskill?«
    »Wie ich gehört habe, hat meine Schwester Sie vor nicht allzu langer Zeit aufgesucht. Eine Nonne. Schwester Valentine Driskill.«
    »Oh, mein Gott! Sie war Ihre Schwester? Ach je, mein lieber Freund, ich habe von ihrem Tod gelesen …«
    »Von ihrer Ermordung«, korrigierte ich ihn.
    »Ja, ja, natürlich. Welch eine Tragödie – einfach unvorstellbar! Ja, ich habe mich mit ihr getroffen, hier in diesem Büro, erst vor etwa einer Woche, und dann habe ich aus dem Fernsehen und aus den Zeitungen die schreckliche Nachricht erfahren. Eine bemerkenswerte Frau. Sie müssen stolz auf sie gewesen sein.« Er nahm hinter seinem Schreibtisch Platz, der beladen war mit Formularen, Frachtpapieren, Rechnungen, Katalogen, Farbprospekten und Erinnerungsstücken an seine Golfer-Karriere. An den Wänden des Büros hingen Hunderte von Fotos, und alle hatten eins gemeinsam: Sie zeigten Ereignisse aus Klaus Richters Leben. Mir fielen sofort die großen Bilder eines sehr jungenhaft wirkenden Richter auf, der im grellen Sonnenlicht neben seinem Panzer in der Wüste stand; auf einem anderen Foto waren im Hintergrund die Pyramiden zu erkennen; auf wieder einem anderen hielt er einen Golfpokal hoch. Auf dem Schreibtisch stand ein goldgerahmtes Foto, das zwei junge Männer zeigte, vermutlich seine Söhne.
    »Warum hat meine Schwester Sie aufgesucht?«
    Er hob eine Braue, runzelte die Stirn. Die sonnengebräunte Haut seines Schädels schimmerte durch das kurzgeschorene weiße Haar. »Tja, lassen Sie mich mal nachdenken.« Er lehnte sich in seinem Ledersessel zurück und rieb sich über das wuchtige Kinn. »Ach ja, meine liebe Freundin, Schwester Lorraine, hat mich angerufen und mir gesagt, daß Ihre Schwester mich sprechen wolle, und hat sie dann hierhergeschickt. Ich war überrascht – und ein bißchen geschmeichelt, muß ich gestehen, daß Ihre Schwester sich für einen gewöhnlichen alten Soldaten wie mich interessierte. Wissen Sie, daß sie ein Buch über die Rolle der Kirche im Zweiten Weltkrieg schreiben wollte?«
    »Sie hat es mal erwähnt«, sagte ich. »Wollte Sie ein Interview mit Ihnen führen? Ging es ihr darum?«
    »Ganz recht. Aber das Gespräch nahm einen für Ihre Schwester unbefriedigenden Verlauf. Ich war einer von Rommels Adjutanten, wissen Sie, noch ziemlich jung, aber ich stand diesem großen Feldherrn von meiner Funktion her recht nahe. Natürlich ging ich davon aus, daß sie etwas über Rommel erfahren wollte. Aber daran war sie überhaupt nicht interessiert, weder an der Person des Feldmarschalls noch am Wüstenkrieg. Es ging ihr um Paris! Paris. Für mich hatte Paris mit dem Krieg überhaupt nichts zu tun. Wir waren eine Besatzungsarmee; Paris war in unserer Hand, in der Stadt herrschten Ruhe und Ordnung – zumindest, bis ihr Yankees gekommen seid. Mein Gott, ich hätte genausogut zur Ostfront geschickt werden können. Na ja, jedenfalls hat Ihre Schwester Material über die Kirche im besetzten Paris gesammelt. Die Zentralfigur war Bischof Torricelli. Ich habe ihn im Rahmen meiner damaligen Verwaltungstätigkeit selbstverständlich kennengelernt – die Kirche und die Besatzungstruppen mußten ja gute, normale Beziehungen pflegen, mußten sich um die anfallenden Tagesgeschäfte kümmern. Und verhindern, daß Resistance-Zellen in die Kirche einsickerten.« Er zuckte die Achseln.
    Ich konnte mich an Torricelli erinnern, den alten Mann mit den Bonbons, auf die Val so wild gewesen war. Und an die Geschichte, wie mein Vater aus irgendeinem Kohlenkeller aufgetaucht war -aus dem einer Kirche vielleicht –, und wie ein Neger ausgesehen hatte. Es war seltsam, sich aus der Distanz von vierzig Jahren vorzustellen, daß ein Mann wie Torricelli versucht hatte, sich zwischen den Nazis und der Resistance hindurchzulavieren, einen Mittelweg zu finden; daß er Männer wie Hugh Driskill und Klaus Richter kannte, die auf so unterschiedlichen Seiten gekämpft hatten. Aber wahrscheinlich hatte ein katholischer Bischof damals den größten Bewegungsspielraum besessen, was das Lavieren zwischen Resistance und Besatzung und Kirche betraf. Ich fragte mich, ob mein Vater und Richter in Clubsesseln sitzen und Kriegserinnerungen austauschen würden, falls ihre Wege sich kreuzten.
    Ich beobachtete

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