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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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Richter, als er von den alten Zeiten erzählte; dann wanderte mein Blick zur Wand hinter ihm und blieb auf einem Foto ruhen, das einen jugendlichen, aber sichtlich kriegsgestählten Richter mit einigen Kameraden an einem grauen Tag in Paris zeigte; im Hintergrund war der Eiffelturm zu sehen. Sein Gesicht rief irgendeine Erinnerung in mir wach. Dieses Gesicht …
    »Sagen Sie«, fragte ich Richter, »ist Ihnen in Paris jemals ein Priester namens D’Ambrizzi über den Weg gelaufen? Er ist inzwischen Kardinal, und …«
    Er unterbrach mich mit einem Hauch von Verblüffung in der Stimme. »Also wirklich, Mister Driskill, ich bin Katholik – es ist absolut überflüssig, mir erklären zu wollen, wer D’Ambrizzi ist! Er gehört zu den einflußreichsten Männern in der römisch-katholischen Kirche. Ja, ich weiß, wer er ist. Und ich würde mich ganz gewiß daran erinnern, hätte ich ihn jemals kennengelernt. Aber das ist nicht der Fall. Wieso erwähnen Sie in diesem Zusammenhang seinen Namen? Hat das irgendeine Bedeutung?«
    »Überhaupt nicht. Reine Neugier. Meine Schwester hat mir gegenüber mal seinen Namen erwähnt. Ich habe mich nur gefragt, ob Sie und D’Ambrizzi zur gleichen Zeit in Paris gewesen sind.«
    »Das ist durchaus möglich, natürlich. Es lebten damals sehr viele Geistliche und ganze Divisionen deutscher Soldaten in Paris. Es mag sich heute vielleicht seltsam anhören, aber wir haben immer versucht, möglichst wenig aufzufallen. Jedenfalls nicht mehr als unbedingt nötig. Wir hatten begriffen, wie sehr die Menschen ihr Paris geliebt haben. Und auch wir haben diese Stadt geliebt. Eins kann ich Ihnen sagen: Hätten wir den Krieg gewonnen, hätte Paris uns verändert, nicht umgekehrt. Aber man hat den Boches ja einen Tritt in den Hintern verpaßt, und mit welchem Erfolg? Wir alle wurden amerikanisiert!« Er lachte rauh; seine Augen warteten auf eine Erwiderung.
    »Ich habe manchmal den Eindruck, Ihre letzte Bemerkung ist für viele Menschen so etwas wie eine Standardentschuldigung für alle Mißstände dieser Welt.«
    »Kann sein.« Er nickte. »Nun, um auf Ihre Schwester zurückzukommen – ich fürchte, ich war eine große Enttäuschung für sie. Ich kannte Torricelli nur flüchtig, und ich habe weder ein Tagebuch geführt noch irgendwelche Unterlagen oder Briefe aus dieser Zeit aufbewahrt. Und genau daraufhaben es Historiker ja so sehr abgesehen …«
    Die Gegensprechanlage auf seinem Schreibtisch summte, und seine Sekretärin teilte ihm mit, daß im Vorzimmer irgendjemand auf ihn warte. Er blickte mich an und sagte: »Würden Sie mich einen Moment entschuldigen? Mein Vorarbeiter möchte mich sprechen. Probieren Sie mal den Golfschläger, wenn Sie möchten. Ich bin sofort wieder zurück.« Er nahm einen Stapel gelber Papiere vom Schreibtisch und ging ins Büro seiner Sekretärin.
    Ich warf einen genaueren Blick auf die Fotografien, die fast das ganze Leben des Klaus Richter dokumentierten. Ich besah mir eine nach der anderen, eine Wand nach der anderen, und in der dunkelsten Ecke des Zimmers war eine kleine Lücke, nur ein winziges Rechteck. Ein Foto fehlte. In dieser Ecke stand ein langer Bibliothekstisch, der vollgestellt war mit Aktenordnern, Handbüchern, Preislisten, Nachschlagewerken, Wörterbüchern in einem halben Dutzend verschiedener Sprachen und mit halbvertrockneten Zimmerpflanzen – dieser Wirrwarr lenkte das Auge eines Betrachters so sehr auf sich, daß die kleine Lücke zwischen all den Fotos monatelang, jahrelang unbemerkt bleiben mochte, wenn man nicht sehr genau hinschaute. Und das tat ich. Und da war diese Lücke. Irgend etwas aus der Lebensgeschichte des Klaus Richter fehlte. Ich wußte, was es war.
    Ich bewunderte gerade den Julius-Boros-Golfschläger, als er wieder ins Büro kam. Er setzte sich auf die Schreibtischkante und sagte: »Wo waren wir stehengeblieben?«
    »Paris.«
    »Ach, ja. Nun, wie ich schon sagte, ich war Ihrer Schwester keine große Hilfe. Und dabei hatte sie einen so weiten Weg auf sich …«
    »Vielleicht haben Sie ihr mehr geholfen, als Sie glauben.«
    »Der gute alte Torricelli, ja, er war ein Mann, von dem Historiker nur träumen können. Er hatte eine regelrechte Archivierungswut. Er hat einfach jedes Papier behalten, jede noch so kleine Notiz, jeden Wäschezettel, jede Speisekarte! Sobald ich ihm irgendwelche Papiere brachte, verschwanden sie in seinen Akten. Nach Sachgebieten geordnet, alphabetisiert. Unglaublich. Man muß sich schon für sehr wichtig

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