Assassini
getrunken hatte, und den ganzen Tag hatte noch niemand versucht, mich zu töten. Mir liefen plötzlich Schauer über den Rücken. Die Furcht war wie ein Blitz aus heiterem Himmel gekommen. In dem Moment, als ich erkannt hatte, daß Klaus Richter einer der Männer auf dem Foto war … und daß ihm diese Sache wichtig genug war, mich zu belügen. Ich bekam eine Gänsehaut. Ich hatte erneut das Gefühl, warmes Blut würde mir aus der Messerwunde über den Rücken laufen. Wie ich das haßte.
Wie ich es haßte, Angst zu haben. Auch Val hatte Angst gehabt …
Eine Stunde später kam Klaus Richter aus einer der Seitentüren der Lagerhalle. Er trug seine Golftasche bei sich. Er verstaute sie im Kofferraum eines schwarzen, viertürigen Mercedes, der in einer Seitengasse geparkt war, stieg ein und fuhr los.
Ich steckte das Foto in meine Jackentasche, trat hinaus auf die Straße und ging zur Halle hinüber. Die Sekretärin saß nicht an ihrem Schreibtisch, und die Tür zu Richters Büro stand offen. Irgend jemand machte sich darin zu schaffen. Ich blickte um die Ecke. Die Sekretärin lehnte über dem Bibliothekstisch und schlug einen Nagel in die Wand.
Ich klopfte an die Tür und sagte: »Entschuldigung.« Sie zuckte zusammen, wandte sich, den Hammer in der Hand, zu mir um; ihr Mund stand vor Überraschung offen. »Ich wollte Sie nicht erschrecken«, sagte ich.
»Ich hab’ mir auf den Finger gehauen«, sagte sie. »Aber« – die tiefroten, breiten Lippen in ihrem dunklen Gesicht verzogen sich zu einem Lächeln – »das hätte ich auch ohne ihre Hilfe geschafft.« Sie erkannte mich wieder. »Tut mir leid, aber Herr Richter kommt erst morgen zurück.«
»Ich wette, er ist Golf spielen.«
»Natürlich. Kann ich Ihnen vielleicht helfen?«
»Ist nicht so wichtig, aber ich glaube, ich habe meinen Füller liegen lassen.« Schwache Ausrede, aber was sollte es. »Lassen Sie mich den Nagel einschlagen.«
Sie reichte mir den Hammer und zeigte auf den Nagel. Er befand sich genau an der Stelle, wo ich es erwartet hatte. »Was für ein Füller war es denn?« fragte sie.
»Ein Mont Blanc.« Ich trieb den Nagel mit zwei Schlägen in die Wand, fragte: »Und das Bild?«
Sie wickelte das braune Papier vom kleinen Päckchen, und ein gerahmtes Foto kam zum Vorschein. Genau das gleiche Foto, wie es sich in meiner Tasche befand. Ich nahm es ihr aus der Hand, und sie lächelte scheu. »Ein Glück, daß Sie nicht Herr Richter sind. Er ist sehr empfindlich, was seine Bilder angeht. Ich wollte das hier ersetzen, bevor er merkt, daß das alte Foto verschwunden ist.«
»Was ist denn mit dem Original passiert?« Ich hängte das Bild an die Wand. Ich wußte, daß Val das Foto mitgenommen hatte. Richter hatte ja gesagt, daß er sein Büro während ihres Besuchs öfters hatte verlassen müssen. Aber warum hatte sie es mitgehen lassen? Was war an diesem alten Schnappschuß so wichtig, verdammt?
Die Sekretärin senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Ich würde es Herrn Richter niemals sagen, aber ich bin sicher, daß die Putzfrau es beim Staubwischen heruntergestoßen hat. Wahrscheinlich war das Glas zersplittert, und da hat sie das Bild lieber weggeworfen, als ihr Mißgeschick zuzugeben. Natürlich behauptet sie, nichts davon zu wissen. Glücklicherweise hatte Herr Richter noch einen Abzug in seinem Fotoarchiv. Es kam nur darauf an, den richtigen Zeitpunkt abzuwarten, um die Kopie aufzuhängen.« Sie folgte mir hilfsbereit durchs Zimmer, als ich mich auf die Suche nach meinem Füller machte. Schließlich ließ ich mich auf die Knie nieder, zog den Mont Blanc rasch aus der Innentasche der Jacke und ›fand‹ ihn unter Richters Schreibtisch.
Die Sekretärin atmete sichtlich auf. Alles wieder in Ordnung. Sie dankte mir für meine Hilfe, als ich mich von ihr verabschiedete, und ich sagte, es sei mir ein Vergnügen gewesen. Ich glaubte fast spüren zu können, wie Val mir anerkennend auf die Schulter klopfte und sagte: Du großer, lieber Dummkopf.
Aber die Frage blieb: Was war so Besonderes an diesem Foto? Es bewies jedenfalls, daß Klaus Richter, angesehener Geschäftsmann aus Alexandria, D’Ambrizzi damals im besetzten Paris gekannt hatte. Aber was war so wichtig daran? Warum hatte Richter mich in dieser Hinsicht belogen? Und warum hatte Val dieses Foto auf eine Weise versteckt, daß nur ich es finden konnte? Was hatte es mit ihrer Ermordung zu tun?
Im Cecil Hotel war eine Nachricht für mich hinterlassen worden. Schwester Lorraine hatte
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