Assassini
halten, wenn man so verfährt, nicht wahr?«
Man braucht sich auch nicht über Mangel an Selbstwertgefühl zu beklagen, wenn man sein gesamtes Büro in ein Fotomuseum verwandelt, in dem man sein eigenes Leben ausstellt, dachte ich, sagte es aber nicht. Es war immer einfach, über andere den Stab zu brechen. Schließlich wollte ich selbst nichts weniger als den Mörder meiner Schwester finden, und Leute, die es wissen mußten, hatten mein Vorhaben als unmöglich, ja selbstmörderisch bezeichnet.
»Ihre Schwester mußte sehr viel Geduld mit mir haben, als sie mich besucht hat«, sagte Richter. »Ich mußte an diesem Tag immer wieder das Büro verlassen, mußte jede Menge Verhandlungen führen – sie war ungeheuer verständnisvoll.«
Wir unterhielten uns noch ein paar Minuten, aber ich hatte die Goldmine namens Klaus Richter restlos ausgebeutet. Schließlich sagte er, er habe eine Verabredung zum Golf, und ich dankte ihm, daß er mir seine Zeit geopfert hatte, und verabschiedete mich.
Im Vorzimmer nickte ich der Sekretärin zu. Sie bekam gerade ein Päckchen von einem Boten ausgehändigt. Es war klein und flach, in braunes Papier eingewickelt und verschnürt. Draußen auf der belebten Straße sah ich einen blauweißen Lieferwagen mit laufendem Motor stehen. Die Seitenwände trugen eine Aufschrift in verschiedenen Sprachen. Auf deutsch lautete sie: Kunstgalerie E. LeBecq.
Das Profil mit der ›Bananennase‹. D’Ambrizzi beugte sich vor, als lausche er jemandem, der im Flüsterton zu ihm sprach; der Banditenschnurrbart verlieh seinem Gesicht einen düsteren Ausdruck.
Neben D’Ambrizzi ein junger Mann mit harten, entschlossenen Zügen: trug er eine Uniform? Der steife Kragen sah nach Wehrmacht aus … Und der nächste Mann: schmales Gesicht mit tiefen Furchen um die Mundwinkel; das Antlitz eines Mannes, der Schlimmes durchgemacht hatte; ein Schmutzfleck auf dem Papier, auf der Stirn des Mannes … Dann der vierte Mann, der auf dem Foto zuerst so unscharf ausgesehen hatte, verschwommen … aber er hatte etwas Vertrautes an sich, irgend etwas … zwei Kerzen auf dem Tisch, Weinflaschen; das Foto war mit Blitzlicht aufgenommen worden, sonst wären die scharfen Schatten an der Wand hinter den Männern nicht gewesen; eine Wand aus unverputzten Ziegelsteinen …
Ich saß in einer schmuddeligen kleinen Kantine inmitten von Cola oder Kaffee trinkenden Arbeitern und versuchte, die Eingangs- und Seitentüren des Lagerhauses der Global Egypt Import-Export im Auge zu behalten. Ich trank heißen schwarzen Kaffee, und meine Augen wanderten immer wieder zwischen den Toren des Lagerhauses und dem Foto, das Val mir in der Trommel hinterlassen hatte, hin und her. Ich glättete das zerknitterte Papier, so gut es ging, und dachte über die vier Männer nach. Und ich konnte Schwester Elizabeth sagen hören: Nein, fünf, es waren fünf Männer.
Klaus Richter schien wirklich ein sehr einflußreicher Bursche zu sein. Er spielte Golf auf den berühmtesten Plätzen der Welt; er hatte offenbar enge Kontakte zu Torricelli im besetzten Paris gehabt. Er liebte all die Schnappschüsse aus seinem Leben, auf das er offensichtlich mit Stolz zurückblickte. Und Julie Boros hatte ihm höchstpersönlich einen seiner privaten Golfschläger geschenkt. Schwester Lorraine bezeichnete ihn als eine tragende Säule der katholischen Gemeinde Alexandrias. Und er hatte einen feinen Sinn für Humor – bezeichnete Ägypten als größten Sandkasten der Welt … ein verdammt feiner Kerl.
Und ein Lügner.
Er hatte D’Ambrizzi gekannt, damals, im besetzten Paris.
Ich wußte, daß er ein Lügner war, weil ich ein Foto von ihm in der Spielzeugtrommel meiner Schwester gefunden hatte. Er war der Mann, der auf dem Schnappschuß neben D’Ambrizzi saß. Jung, zäh, hart, gefühllos; Augen, die schon zuviel Schlimmes gesehen hatten, als er nach Paris versetzt worden war. Und ich war ziemlich sicher, wie meine Schwester an das Foto gekommen war.
Val war nach Alexandria geflogen, um einen Mann zu suchen, der auf dem Bild zu sehen war, und sie hatte ihn gefunden. Und dann hatte der Mann mit dem silbernen Haar sie ermordet.
Klaus Richter …
Zum erstenmal, seit ich mich auf die Fährte des Mörders gesetzt hatte, verspürte ich wirklich Angst. Ich war allein, allein mit meinen Gedanken, konnte sie nicht mit Schwester Elizabeth oder Father Dunn oder Monsignore Sandanato teilen. Die Sonne schien in die Kantine, und ich trank einen Kaffee, wie ich ihn stärker noch nie
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