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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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vielleicht, so lange kann die Kanzlei dir mindestens Urlaub gewähren … wir könnten eine Kreuzfahrt machen oder nach London fliegen und dort ein Weilchen bleiben, sobald ich wieder auf dem Damm bin …« Schon über diese Pläne zu reden, munterte ihn sichtlich auf. Doch der Rest des Gesprächs verlief nicht ganz so erfreulich.
    Er war strikt dagegen, daß ich mich auf die Fährte von Vals Mörder setzte; er wollte gar nicht erst erfahren, was Val herausgefunden hatte und warum sie ermordet worden war. Er nannte mich einen leichtsinnigen Dummkopf, der nicht nur seine Zeit sinnlos vergeudete, sondern dabei auch noch sein Leben aufs Spiel setzte. Ob der Mordanschlag denn nicht Warnung genug gewesen sei? Ob ich mir nicht im klaren darüber sei, wieviel Glück ich gehabt hatte, mit dem Leben davongekommen zu sein? Ob ich denn nicht erkennen könne, daß ich ihn im Stich ließe, jetzt, wo er mich so sehr brauche?
    Nie hatte mein Vater mich um einen Gefallen ersucht, erst recht nicht gebeten. Ich hatte das Gefühl, einen Fremden vor mir zu haben. Das machte es mir leichter, ihm seine Bitte abzuschlagen. Nicht leicht. Nur leichter. Ich war der Sohn meines Vaters: Ich hatte gelernt, einem anderen die kalte Schulter zu zeigen. Ich sah, wie eine Träne aus seinem geschlossenen Auge kullerte. »Tut mir leid, Dad, ich muß es versuchen. Aber ich komme wieder – vielleicht können wir dann …«
    »Du bist besessen, Benjamin. Für dich ist es nur noch ein Schritt bis zum Wahnsinn, und du weißt es nicht mal. Du wirst nicht wiederkommen, Ben.« Er schluckte krampfhaft und blickte zur Seite. »Du wirst nicht wiederkommen«, sagte er noch einmal.
    Tränen rannen über seine grauen Wangen. Um wen weinte er? Um sich selbst? Um Val? Vielleicht sogar um seinen Sohn, das schwarze Schaf? Aber nein, das war unmöglich. Ich hatte mich für einen Augenblick täuschen lassen.
     
    In Ägypten existiert eine Vielzahl von Religionen. Die Moslems sind natürlich die stärkste Gruppe, und unter den christlichen Glaubensgemeinschaften sind die Kopten die beherrschende. Aber wie überall gibt es in Alexandria auch römisch-katholische Gemeinden sowie die Jesuiten und den Schwesternorden, dem Val angehört hatte, Mönche und Nonnen, die sich um das Seelenheil der kleinen katholischen Enklave kümmerten.
    Nach sechzehn Stunden Schlaf, nur zweimal unterbrochen von den klagenden Gebetsrufen der Muezzins – Gesänge, die man in jedem Winkel der Stadt hören konnte und die laut genug waren, auch durch den Mantel des Schlafs bis in mein müdes, betäubtes Hirn zu sickern –, erwachte ich und rief im Büro des Ordens an, das sich, wie ich feststellte, in einer von diesem Orden geleiteten Schule befand. Ich wurde mit einer gewissen Schwester Lorraine verbunden, die sich als die Oberin herausstellte. Sie konnte sich sofort an Vals Besuch erinnern. Val habe im Gästehaus des Ordens gewohnt. Schwester Lorraine erklärte sich mit ihrer freundlichen, von einem leichten französischen Akzent gefärbten Stimme bereit, mich gern zu empfangen, wann immer ich Zeit fände vorbeizukommen.
    Ich nahm ein Taxi und stand eine Viertelstunde später in Schwester Lorraines Büro. Durch die Fenster sah ich auf dem von Palmen gesäumten Schulhof Kinder herumtollen; ihre Rufe und ihr Gelächter drangen bis hier herauf.
    Schwester Lorraine war eine kleine, zierliche, dunkelhaarige Frau in den Fünfzigern. Sie trug ein blaues Kostüm mit ausgestellten Schultern und eine cremefarbene Seidenbluse mit Schleife. Auf dem Weg ins Gebäude hatte ich ein paar Nonnen in der üblichen Ordenstracht gesehen. Ihr Boß jedenfalls war eine offensichtlich modern eingestellte Managerin.
    Schwester Lorraine hatte bereits von Vals Ermordung gelesen und war ziemlich fassungslos, gerade weil sie sich erst vor so kurzer Zeit kennengelernt hatten. Sie beugte sich über den Schreibtisch, hörte mir zu und spielte mit einem goldenen Füller herum, während ich ihr erklärte, daß ich versuchen wolle, die letzten Wochen im Leben meiner Schwester zu rekonstruieren.
    Sie nickte wissend, noch bevor ich geendet hatte. »Ja, ja, ich verstehe. Ich würde Ihnen wirklich gern mehr darüber erzählen, was Ihre Schwester hier in Alexandria suchte, aber leider weiß ich kaum etwas davon. Sie war mir sehr sympathisch, und ich habe ihre Arbeit bewundert. Aber Ihre Schwester war irgendwie geistesabwesend, von irgend etwas vollkommen in Anspruch genommen. Sie war nervös, erschöpft, und sie war … sehr

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