Assassini
verborgen und geheim.
Oft besuchte Peaches auch Vals Grab auf dem kleinen Friedhof neben der Kirche, und er trauerte nicht nur um sie, sondern auch um sein eigenes Leben, das an der Seite Vals in ganz anderen Bahnen verlaufen wäre. Manchmal ging er auch durch das Tor im Zaun zum Grab Father Governeaus außerhalb des Friedhofsgeländes und dachte über dessen Geschichte nach, darüber, was Edna Hanrahan über den jungen, hübschen, in alle Ewigkeit verdammten Priester erzählt hatte. Peaches klammerte sich verzweifelt an seinen Glauben, um diese Wochen und Monate, die schwersten seines Lebens, durchstehen zu können. Und sein Glaube wurde auf eine verdammt harte Probe gestellt.
Aber nichts lenkte ihn besser ab als die Aufräum- und Entrümpelungsarbeiten in dem alten Pfarrhaus, im Keller, auf dem Dachboden, wo sich über Jahrzehnte hinweg in Schränken und Kisten und Pappkartons die Hinterlassenschaften seiner Vorgänger an St. Mary’s angehäuft hatten.
Kisten voller Briefe, die bis in die dreißiger Jahre zurückdatierten. Berichte an die Diözese, Rechnungen jeglicher Art, Dutzende von Sammelalben voller Zeitungsausschnitte, eingeklebt oder einfach hineingelegt. Zentnerschwere Kisten voller Bücher: Reiseführer, Romane, Sachbücher, Bücher über religiöse Themen, wissenschaftliche Abhandlungen, in Leder gebundene Klassiker. Und weitere Kisten, weitere Zentnerlasten von Altpapier in Form tausender Zeitungen und Zeitschriften: Life, Time, National Geographic, The Saturday Evening Post, Collier’s, Harper’s, The Atlantic, The Saturday Review, und so weiter, und so weiter. Alte Golfschläger, Tennisschläger, Krocketschläger, Badmintonschläger, Bälle, Netze. Unmengen von vergilbtem Schreibpapier, Notizbücher, Kladden, alte Kalender, Füller, Bleistifte, Büromaterial jeder Art. Es war unglaublich. Edna Hanrahan verbrachte viele Stunden damit, Peaches zu helfen. Es gab auch genug alte Kleidung, um sie auf einem Bazar für wohltätige Zwecke zu verkaufen. Oder um eine Laienbühne damit zu beglücken. Zum Wegwerfen war das Zeug jedenfalls zu schade. Edna wollte sich darum kümmern, einen Trödelmarkt zu organisieren.
Eines Abends machte Peaches es sich mit einer Flasche Glenfiddich vor dem Kamin gemütlich und begann, sich durch eine Kiste voller Sammelalben zu wühlen, die aus der Zeit kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs stammten. Zwischen zweien dieser Alben stieß er plötzlich auf einen großen Umschlag aus braunem Packpapier, der dick mit Isolierband umwickelt war, das mit den Jahren so festgebacken war, daß man es nicht mit den Fingern lösen konnte. Die Verlockung war unwiderstehlich. Mit einem Schweizer Messer durchtrennte er das Isolierband und zog etwa vierzig lose Seiten aus dem Umschlag, allesamt handbeschrieben; die Tinte auf dem vergilbten, linierten Papier war verblaßt.
Er begann zu lesen. Er las den gesamten Text zweimal durch und trank währenddessen die halbe Flasche Scotch leer. Dann starrte er auf den eingeschalteten Fernseher und versuchte, sich zu beruhigen. Mein Gott, was war jetzt zu tun?
Langsam las er den Text ein drittes Mal.
Du lieber Himmel, wie oft hatte er von Ben und Val die Geschichte zu hören bekommen, wie ihr Vater einen italienischen Geistlichen namens Giacomo D’Ambrizzi nach dem Krieg mit nach Princeton gebracht hatte, wie D’Ambrizzi sich in Hugh Driskills Arbeitszimmer eingeschlossen hatte, um irgendeine Arbeit zu erledigen, bei der niemand ihn stören durfte, von der bis heute niemand gewußt hatte, was für eine Arbeit es gewesen war … und jetzt, um Himmels willen, wußte er, Peaches O’Neale, was sich in Old Hughs Arbeitszimmer abgespielt hatte.
In seinen zitternden Händen hielt er das Testament Giacomo D’Ambrizzis, der schon bald, sehr bald, der neue Papst sein konnte, Oberhirte der römisch-katholischen Kirche, Stellvertreter Christi auf Erden … Hier hatte dieses Schriftstück all die Jahre gelegen, in der Sicherheit seines Verstecks … vergessen. Vergessen? Er wandte sich wieder der ersten Seite zu, der Überschrift. Tatsachen und Hintergründe im Fall Simon Verginius. Peaches warf einen Blick auf die letzte Seite, betrachtete die verblichene Unterschrift, das Datum.
Dann, schon weit nach Mitternacht, zog er das Telefon heran, nahm den Hörer von der Gabel und bereitete Father Artie Dunn eine riesige Überraschung.
Father Dunn hatte einige Tage zurückgezogen in seiner Wohnung verbracht, die sich in einem der Wolkenkratzer inmitten
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