Assassini
Manhattans befand, hoch über der Stadt. Hier war er abgeschlossen von der Welt, von den Nachwirkungen der Morde in den Medien. Er hatte Erzbischof Kardinal Klammers gelegentliche Klagerufe aus dem in der Nähe gelegenen St. Patrick’s ignoriert. Er hatte Anrufe von seinem Agenten und seinem Verleger ignoriert. Er beschäftigte sich ausschließlich mit den Mordfällen, und zwar in einer Weise, als wären sie der Aufhänger für einen seiner Romane: Er versuchte, die Geschichte zu entwickeln, in alle Richtungen, zurück, nach vorn und zur Seite, versuchte, einen roten Faden zu erkennen und so herauszuarbeiten, daß er im richtigen Licht erschien – und somit in seiner ganzen Länge zu sehen war. Natürlich war ihm das nicht gelungen, doch es war keine Zeitverschwendung gewesen. Er dachte über Val nach, über Lockhardt und Schwester Elizabeth, Ben, Hugh und Peaches, D’Ambrizzi, Sandanato und den Papst. Er hatte einige Notizen gemacht, verschiedene Unbekannte in dieser Gleichung entdeckt, und er hoffte, daß irgendeine Verbindung ihn das Gesamtbild erkennen und begreifen ließe. Er hatte über Vals Reisen nachgedacht. Wem oder was, bei allen Heiligen, war das Mädchen auf der Spur gewesen? Nun, was immer es sein mochte, die Familie Driskill schien darin verstrickt zu sein, und zwar in jeder Hinsicht …
Der ermordete Father Governeau hatte an einem Baum im Obstgarten der Driskills gehangen …
Hugh Driskill war im Zweiten Weltkrieg für Wild Bill Donovans OSS in Europa tätig gewesen …
Und nach Kriegsende tauchte D’Ambrizzi in Princeton auf, und es war Hugh Driskill gewesen, der ihn mit in die Staaten gebracht hatte … aber wußte irgendjemand, warum? Artie Dunn wollte die Antwort darauf erfahren. Gütiger Himmel, der Mann konnte in kürzester Zeit der neue Papst werden …
Und Schwester Val. Sie hatte im zurückliegenden Jahr irgendwelchen Ärger gemacht, hatte irgend jemandem höllische Angst eingejagt … und dann hatte dieser jemand sie ermordet, damit sie mit dem aufhörte, was immer sie getan haben mochte. Aber was hatte sie getan?
Und schließlich Ben Driskill, der einfach nicht aufgeben wollte. Aber er stellte seine Nachforschungen ohne rechte Überlegungen an, plan- und ziellos. Er hatte die Sache nicht gründlich durchdacht, sondern er benahm sich beinahe wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen. In seiner Vorgehensweise spiegelte sich nicht der Anwalt wider; es war wie ein Rückfall in seine Zeit als Footballspieler …
Welch ein Durcheinander!
Schließlich entschloß sich Dunn, seine Nachforschungen an einer Stelle anzusetzen, an der es wohl die wenigsten getan hätten. Nachdem er noch einmal seine Notizen durchgesehen hatte und zu der Ansicht gelangt war, daß sie ein zu kompliziertes und verwirrendes Bild ergaben, entschloß er sich, zum Ausgangspunkt zurückzukehren, in den Obstgarten gewissermaßen, wo die Leiche Father Governeaus in einem kalten Winter vor vielen Jahren am Strick gebaumelt hatte.
Er verließ Manhattan an einem sonnigen, windigen Morgen und fuhr zu einem Nonnenkloster, das sich in der Nähe der Hauptstraße befand, die zwischen Princeton und Trenton verlief. Es war ein großes graues Gebäude, ein ehemaliges Herrenhaus, und von einer großen Rasenfläche umgeben; das Gras war braun vom Frost. Die unwirkliche Stille, die Dunn umfing, als er das Gebäude betrat, war er gewöhnt. Sie herrschte in vielen kirchlichen Einrichtungen.
Er wartete in der Eingangshalle, während sich eine alte Nonne auf den Weg machte, Schwester Mary Angelina zu holen. Und dann kam sie, mit einem warmen, freundlichen Lächeln. Aber es war ein Lächeln, dem man nichts entnehmen konnte. Sie trat auf Dunn zu, schüttelte ihm die Hand und führte ihn in ein tristes, freudloses Wohnzimmer, aber das immer noch hübsche Gesicht Schwester Mary Angelinas, strahlend und lebhaft und von innerer Heiterkeit erfüllt, hellte das Zimmer auf.
Sie hatte sich nach ihrer Pensionierung in dieses Kloster zurückgezogen. Vorher hatte sie an der Grundschule unterrichtet, die auch Val und Ben und Peaches besucht hatten, und war schließlich Rektorin geworden. Sie hatte Dunn auf Vals Beerdigung kennengelernt.
»Sie kannten Hugh Driskill und seine Frau Mary schon vor dem Krieg, nicht wahr?«
»Natürlich. Es kommt mir so vor, als wäre es erst gestern gewesen.«
»Sie müssen damals so ziemlich jeden Katholiken in dieser Gegend gekannt haben.«
»Oh, gewiß, ich glaube schon. Das hat mein Beruf mit sich
Weitere Kostenlose Bücher