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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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die anderen Legenden …«
    Sie hatte nachgehakt. Welche Legenden?
    »Schwester, sind wir nicht Historiker? Sollten wir uns nicht an Tatsachen halten?«
    »Sie sind Historiker. Ich bin Studentin. Vieles hat als Legende seinen Anfang genommen …«
    »Sehr schön gesagt, aber sachlich nicht ganz zutreffend.«
    »Dann verbessern Sie mich, Father.«
    »Es sind alte Legenden, mehr nicht. Über verborgene Klöster, über die Assassini als private Armee des Papstes … Sie können sich gewiß vorstellen, was für einen Unsinn sich die Leute im Laufe der Jahrhunderte zusammengereimt haben. Die Kirche war immer schon eine beliebte Zielscheibe für Anfeindungen und Unterstellungen.«
    »Aber es muß doch irgendeine Grundlage für eine solche Legendenbildung geben – ich meine, entweder gab es diese Assassini, oder es gab sie nicht.«
    »Es gab eine solche Organisation, ja. Aber was das Quellenmaterial betrifft, wo wollen Sie denn Nachforschungen anstellen?«
    »Das ist doch naheliegend. In den Geheimen Archiven.«
    Father Davenant hatte gelacht. »Sie sind noch sehr jung, Schwester. Sie können sich nicht vorstellen, was für ein Chaos dort herrscht. Das kann sich niemand vorstellen. Sie wissen doch sicher, wie Archivare sind. Sie können einfach nichts wegwerfen. Also wird alles eingelagert. Versteckt, genauer gesagt. Und in den Geheimen Archiven geschieht das seit Jahrhunderten. Es ist wirklich teuflisch, dort zu arbeiten.« Father Davenant hatte sich mit Elizabeth nie wieder auf ein Gespräch über die Assassini eingelassen. Aber er hatte ihr gesagt, wie es in den Geheimen Archiven aussähe. Er hatte recht gehabt. Es war wirklich teuflisch, dort zu arbeiten.
    Am folgenden Tag entdeckte Elizabeth in ihrem fondo Unterlagen, die sich auf die Bestrafung bestimmter Klöster bezogen. Es war eine Strafaktion, die vom Papst befohlen und von der venezianischen Nuntiatur ausgeführt worden war. Was Elizabeth in den alten Dokumenten über das Schicksal des Klosters von San Lorenzo las, ließ sie erschaudern.
    Die Strafmaßnahmen gegen dieses toskanische Kloster Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts war mit einer Geschichte verknüpft, in der unglaubliche Vorgänge erwähnt wurden: Hexenzauber, Inzest, Entweihung der Kirche, Schändungen, Brandstiftungen, Mord, Folter, Vergewaltigung sämtlicher Schwestern eines Nonnenklosters, Anbetung heidnischer Gottheiten, Tyranneien jeder nur erdenklichen Art, Betrug und Verrat.
    Im Mittelpunkt dieser Scheußlichkeiten stand ein florentinischer Adeliger, Vespasiano Ranaldi Sebastiano, der die Bischofswürde durch Zahlung einer großen Summe Dukaten erlangt hatte. Die Familie des Papstes brauchte Geld, so einfach war das, und niemand scherte sich sonderlich darum, woher dieses Geld stammte.
    Als Bischof entschloß Sebastiano sich, die Kirche herauszufordern, zu brüskieren, der Lächerlichkeit preiszugeben, auf jede nur erdenkliche Weise ihre Würde zu beschmutzen, ihre Mission, ihre Heiligkeit. Als Offizier in Sigismondo Malatestas Privatarmee verwüstete er kirchlichen Grundbesitz, fiel mit seinen Landsknechten in Klöster ein und schändete die Nonnen, raubte und plünderte Kirchenschätze. Er hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, dabei sein Bischofsgewand zu tragen und seine Meute mit obszönen, brutalen Späßen zu unterhalten; besondere Freude bereitete es ihm, die Unglaubwürdigkeit der jungfräulichen Empfängnis ›nachzuweisen‹. Auf seinem Schloß praktizierte er Hexenzauber widerlichster Natur, dem er neue, eigene Spielarten hinzufügte. Ein in der Nähe seines Schlosses gelegenes Nonnenkloster funktionierte er in ein Privatbordell für sich und seine Spießgesellen um. Folterungen und Verstümmelungen waren an der Tagesordnung. Die wenigen, die von Sebastianos Schloß fliehen konnten, wurden für verrückt erklärt, als sie schilderten, was sie dort erlebt hatten.
    Sebastianos Schloß war zudem eine beliebte Zufluchtsstätte der Assassini. Als ihre Anzahl zu groß wurde, als daß er sie alle hätte unterbringen können – er stellte sie zahlungskräftigen Kunden zur Verfügung, machte dabei horrende Gewinne und wollte sich aus diesem Grunde die profitable Killertruppe erhalten –, richtete er seine Aufmerksamkeit auf das Kloster von San Lorenzo, nur einen Tagesritt vom Castello Sebastiani entfernt. Dort sollten ein, Teil der Assassini eine neue Unterkunft finden. Der Gedanke war naheliegend, denn er hatte viele seiner Assassini aus Klöstern rekrutiert; schließlich war Sebastiano

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