Assassini
wahr? Nun, Simon hatte Angst, das Konkordat könne den Nazis während des Krieges in die Hände fallen – dann nämlich, so fürchtete er, hätten sie für alle Zeiten ein Druckmittel gegen die Kirche besessen.«
»Wollen Sie damit sagen, er hatte diese Urkunde damals bei sich?«
Leo nickte.
»Wie ist er an ein so unglaubliches Dokument gekommen?«
»Das hat er mir nie erzählt.«
»Vielleicht hat er Sie belogen, vielleicht wollte er …«
»Simon? Gelogen? Niemals!«
»Aber wie können Sie da so sicher sein?«
Er blickte mich mit einem schlauen Ausdruck an, in dem alle Weisheit und Erfahrung seines Alters stand. »Ich weiß es. Ich kannte Simon. Und darum kann ich sicher sein.«
»Erzählen Sie mir, was dann geschehen ist. Sie hatten ja das Schicksal der Kirche in Händen, im wahrsten Sinne des Wortes.« Eine Liste der Assassini …
»Das möchte ich bezweifeln, Mister Driskill. Das ist jesuitisches Geschwätz.«
Ich wollte gar nicht erst den Versuch unternehmen, ihn davon zu überzeugen, wie wichtig dies alles für mich war und was ich alles hatte durchmachen müssen. Er hatte Schlimmeres hinter sich, und jetzt war sein Kampf mit der Vergangenheit, mit dem Leben vorüber, und ich würde ihn weder überreden noch beeindrucken, noch zwingen, noch kniefällig zu irgend etwas bewegen können, wozu er nicht von sich aus bereit war. »Ich war mal Jesuit«, bemerkte ich.
Er lachte lauthals. »Driskill«, sagte er, »was sind Sie für ein Halunke! Sind Sie zufällig auch ehrlich?«
»Mehr oder weniger«, sagte ich. In meiner Welt würde niemand eine derartige Frage stellen. Was sollte ich schon darauf antworten?
»Na ja.« Er seufzte. »Was das Konkordat der Borgia betrifft -als Simon den Friedhof verließ, nachdem er den Verräter LeBecq beseitigt hatte, konnte er sich darauf berufen. Verstehen Sie, was ich meine? Es war eine Art Freibrief. Die Geschichte dieses Dokuments hat Simons Handeln gerechtfertigt, finden Sie nicht auch? Wenn die Assassini gebraucht werden, wenn sie der Kirche dienen können, erstehen sie wieder auf.« Er blickte mich fest an. »Aber die Entscheidung, wann das der Fall ist, möchte ich nicht treffen müssen. Sie etwa, Mister Driskill?«
»Erzählen Sie mir, was mit dem Konkordat geschehen ist.«
»Oh, Simon hat es nach Norden geschickt. In sichere Verwahrung. Um ehrlich zu sein …« Sein Gesicht war heiter, fast glücklich. »Ich selbst habe es nach Norden gebracht. Er hatte Vertrauen zu mir, wissen Sie.« Er bleckte die kleinen weißen Zähne, was irgendwie bedrohlich wirkte. »Ja, Simon hat das Konkordat nach Norden geschickt – mit mir und einem Gefährten. Dem Holländer, der damals in der letzten Nacht mit mir und Sal draußen vor dem Friedhof gewesen ist. Er ist in Paris mit einem Brief und einem Päckchen zu mir gekommen. Der Brief war von Simon. Und darin schrieb er, daß ich mich mit diesem Päckchen und dem Holländer schnellstens nach Norden absetzen sollte … Oh, ich kann Ihnen sagen, das war eine abenteuerliche Reise! Wir haben uns als bretonische Fischer getarnt und sind über den Ärmelkanal nach England. Bei Nacht und Nebel. Aber wir haben es geschafft. Es muß Gottes Wille gewesen sein, daß wir Simons Auftrag zu Ende führen konnten.« Er blickte aufs Meer hinaus, über das sich die Dunkelheit senkte, und schien diesen Triumph noch einmal zu durchleben.
»Und so kam es«, fuhr er fort und wandte sich mir wieder zu, »daß wir es vor den Nazis gerettet haben. Das Konkordat ist hier in St. Sixtus. Wie viele andere irische Klöster war es schon immer ein sicherer Aufbewahrungsort für kirchliche Dokumente, seit dem frühen Mittelalter. Das ist Tradition. Die Urkunden bleiben hier über Jahrhunderte konserviert, werden bewahrt und behütet. Weitab von der Welt und damit in Sicherheit.«
»Dieses Dokument ist hier! «Das Blut dröhnte in meinem Schädel. Eine Liste der Assassini …
»Ja, gewiß. Der Archivar, Bruder Padraic – er ist ein sehr alter Mann, dessen Tage gezählt sind, fürchte ich –, er weiß, wo es ist. Es ist hier versteckt, irgendwo in den Archiven von St. Sixtus. Im Laufe der vierzig Jahre, die ich nun schon hier lebe, sind Padraic und ich sehr gute Freunde geworden. Nun ist es für uns beide an der Zeit, diese Sache aus dem Bewußtsein zu verdrängen. Das war eigentlich nicht unsere Absicht, aber jetzt, da Sie gekommen sind – vielleicht sind Sie Gottes Antwort auf unsere letzten Zweifel an der Richtigkeit all dessen, was damals in Seinem
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