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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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Entfernung zu beiden Seiten aus dem Wasser ragten; die Brandung rollte hier beinahe sanft an den Strand, zischte und gischtete zwischen den Gesteinstrümmern, die sich vor Urzeiten aus dem Fels gelöst hatten und hier, am Fuß der Steilwand, auf dem schmalen Strand zur Ruhe gekommen waren. Leo winkte mir, ihm zu folgen, und wir gingen über den feuchten, hartgebackenen Sand und folgten dann einem Pfad entlang der Felswand, der moosbewachsen und glitschig und Schritt für Schritt tückisch war.
    »Sehen Sie die Höhle?« rief Leo und streckte den Arm aus, um die Richtung zu weisen.
    Wir legten im Eingang der Höhle eine Verschnaufpause ein. Leo zog eine winzige Pfeife und einen zerknitterten Beutel aus Öltuch, in dem sich noch ein paar Krümel Tabak befanden, aus der Brusttasche seiner Windjacke. Er stopfte die kleine Pfeife, zündete sie an, paffte und rieb sich die Hände. Während der Regen draußen vor dem Eingang, nur wenige Meter entfernt, in wahren Sturzbächen niederging, erklärte er mir, daß die Felsen von ähnlichen Höhlen und Gängen wie diesem hier regelrecht durchlöchert seien und daß sie alle zum Kloster gehörten. Sie seien früher, so Leo, verborgene Schlupfwinkel für die Einsiedler gewesen, denen das Leben in einer Mönchszelle zu bequem gewesen sei. Einige Höhlen, wie zum Beispiel diejenige, in deren Eingang wir uns jetzt aufhielten, führten durch die Felsen bis ins Kloster hinein. Doch wie sich herausstellte, gab es einen ganz bestimmten Grund, daß er mir gerade diese Höhle zeigte.
    Er sagte, die Höhle führe in jene verborgenen Kammern, in denen in speziell gefertigten Schatullen die geheimen Dokumente aufbewahrt würden. Das Reich des Archivars, Bruder Padraic.
    »Können Sie diese Höhle wiederfinden?« fragte Leo mich und versuchte, seine Handflächen am Pfeifenkopf zu wärmen. »Können Sie im ersten Tageslicht auf dem gleichen Weg, den wir gerade genommen haben, die Wand hinunter steigen? Es ist nicht ungefährlich.«
    Ich meinte, daß ich das wohl schaffen würde.
    »Gut. Seien Sie vorsichtig. Mit dem ersten Tageslicht also. Bruder Padraic und ich werden Sie hier erwarten. Wir werden Ihnen das Konkordat aushändigen und Ihnen einige Anweisungen erteilen, was Sie mit der Urkunde tun sollen, und das wird’s dann auch schon sein. Ich vertraue Ihnen, Mister Driskill. Ich vertraue dem lieben Gott, der Sie zu mir geschickt hat. Und dann werde ich endlich, nach so vielen Jahren, das alles hinter mir haben, werde frei sein von den Erinnerungen …« Er paffte an der Pfeife, blickte hinaus in den windgepeitschten Regen vor dem Höhleneingang. »Wir alle tragen an unseren Sünden, nicht wahr? Einige sind groß, andere klein. Und wir können nur bereuen, beichten, um Gottes Gnade beten. Wir haben Menschen das Leben genommen, im Namen der Kirche.«
    Jetzt, da Leo dieses Thema wieder aufgegriffen hatte, konnte er nicht mehr aufhören zu reden. Ich fragte mich, ob er sich in den gut vierzig Jahren, die er hier in St. Sixtus lebte, schon einmal jemandem hatte anvertrauen können. Bruder Padraic vermutlich. Aber sonst? Es mußte sich in ihm aufgestaut haben, bis endlich ich gekommen war, ein Fremder, auf den er nun seine Hoffnungen setzte.
    »Ist das eine Sünde oder sind es zwei? Wir haben getötet und der Kirche die Verantwortung dafür gegeben. Ich glaube, es sind zwei Sünden. Ich möchte Ihnen etwas sagen, Mister Driskill. Es wird oft behauptet, daß wir die Kirche verzehren, sobald wir die erste Kommunion erhalten haben. Das ist eine Lüge, mein Freund. Die Kirche verzehrt uns.«
    Der Regen hatte aufgehört. Die Gewitterwolken aber lagen noch wie dichter Nebel über dem Meer und hüllten den unwirtlichen Küstenstreifen und das Kloster in fast nächtliche Dunkelheit, als Bruder Leo mich auf jenem Weg zurückführte, den wir gekommen waren. Er entschuldigte sich für die Geheimnistuerei um meinen Besuch im Kloster, aber er betonte, daß es besser sei, wenn niemand sonst mich zu Gesicht bekäme. Je weniger Fragen, desto besser für uns. Ich sagte, daß einige Mönche mich bereits aus dem Hauptgebäude beobachtet hätten, als ich mir das Kloster und dessen Umgebung angeschaut hatte, aber er tat es mit einem Achselzucken ab. »Dann werde ich eben lügen«, sagte er, »und werde ihnen sagen, daß Sie ein Vetter aus Amerika waren, der schon wieder abgereist ist. Falls überhaupt jemand fragt.« Die kleinen Sünden wogen nicht so schwer.
    Er sagte mir, ich könne die Nacht in einer der

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