Assassini
bienenwabenartigen Zellen an der Außenseite des Gebäudes verbringen. Er wollte mir Käse, Wein, Brot und ein paar Decken bringen. Als er sich auf den Weg machte, um die Sachen zu holen, fuhr ich den Wagen an der Böschung neben der Straße ein Stück weiter hinunter und stellte ihn hinter der Umfassungsmauer des Klosters ab, dort, wo einige dichte Sträucher zusätzlichen Sichtschutz boten. Man mußte schon, zumal in der Dunkelheit, sehr genau hinschauen, um den Wagen erkennen zu können. Dann ging ich zu den bienenstockartigen Fensterreihen hinüber und wartete auf Leos Rückkehr.
Leo kam mit der Verpflegung und einigen Decken zurück sowie mit zwei dicken Kerzen. Wir kauerten uns in einer Zelle in der Mitte des steinernen Bienenkorbs auf den Boden. Ich versuchte, nicht an die glitschigen, moosbewachsenen, feuchten Wände zu denken. Leo entkorkte die Flasche roten Landwein, und ich aß frisches Sauerteigbrot und scharfen weißen Käse und spülte die Mahlzeit mit dem Wein hinunter. Leo gab mir noch einige Instruktionen für unser Treffen am nächsten Morgen. Als er sich schließlich verabschiedet hatte und sich zum Gehen wandte, nannte ich einen Namen.
»August Horstmann«, sagte ich.
Er hatte sich gerade geduckt, um die Zelle durch die niedrige Öffnung in der Wand zu verlassen, und die Hände erhoben, um in der Dunkelheit den oberen Rand des bogenförmigen Ausgangs zu ertasten, als er abrupt innehielt. »Was haben Sie gesagt?« Er stand stocksteif da, hielt mir den Rücken zugekehrt.
»August Horstmann. War er der Mann, den Sie den Holländer genannt haben?«
Er wandte sich langsam um und betrachtete mich mit einem Ausdruck der Enttäuschung. »Ich mag es nicht, wenn jemand mich zum Narren hält, Mister Driskill. Ich erwarte von einem Mann, daß er ehrlich zu mir ist und sich nicht hinter meinem Rücken über mich lustig macht …«
»Wovon reden Sie?«
»Sie wußten es schon die ganze Zeit und haben mich zum Narren gehalten wie einen alten Trottel.«
»Unsinn. Ich habe nur geraten.« Ich sagte ihm nicht, daß Horstmann den Vikar getötet hatte.
»Horstmann war derjenige, der mich damals nach Norden begleitet hat. Der Holländer. Wir haben das Konkordat hierher gebracht, nach St. Sixtus. In der ersten Nacht ist er wie ein Schatten verschwunden … und ich bin geblieben. Er war ein tapferer Mann. Furchtlos.«
Ich war ziemlich erschöpft, aber die Kälte und die klamme Luft waren alles andere als gut für meinen Rücken. In der Zelle war es feucht und stickig; der Verband war kalt und steif und fühlte sich wie nasser Zement an. Innere Erregung und die wiedererwachten Schmerzen ließen mich nicht einschlafen. Ich hatte mich in die Decken eingewickelt, die Leo mir gebracht hatte, und meinen Trenchcoat darübergezogen, trotzdem zitterte ich vor Kälte. Die Wachskerze flackerte im Durchzug; der schwarze Rauch zerfaserte im Nichts. Das Meer brüllte und donnerte in der Stille so laut, als würde es gegen die Klostermauern anrennen. Und in meinen Kopf herrschte ein fürchterliches Durcheinander.
Die Verbindungen und Verästelungen wurden immer komplizierter. Horstmann und Leo. Diese beiden hatten das Konkordat der Borgia aus Paris hierher an die Nordwestküste Irlands gebracht. Vor vierzig Jahren. Simon Verginius hatte die beiden beauftragt, es vor den Nazis in Sicherheit zu bringen. Paris. Assassini. Simon. Konkordat. Horstmann … LeBecq auf dem Friedhof, sein Bruder mit einem Loch im Schädel am Bugrad seines Flugzeugs irgendwo in der ägyptischen Wüste, vierzig Jahre später; die beiden Todesfälle mußten in irgendeinem Zusammenhang stehen. Meine Schwester Val … Richter, Torricelli, D’Ambrizzi und LeBecq, von einem unbekannten fünften Mann vor langer Zeit fotografiert … der Collector … Little Sal, der Holländer und Leo, am Zaun vor dem Friedhof in Paris kauernd … Father Governeau, der meine Schwester am Tag ihres Todes am meisten interessiert zu haben schien …
Und Leo. Es gab keinen Grund, ihm zu erzählen, daß sein ehemaliger Kamerad alles andere als verschwunden war, sondern sich wieder auf den Weg gemacht hatte wie der Geist des Bösen.
Horstmann. Immer wieder drang er in meine Gedanken ein, eroberte sie schließlich, besetzte sie wie eine siegreiche feindliche Armee. Ich hatte plötzlich das Gefühl, in dieser uralten Mönchszelle nicht allein zu sein. Horstmann war hier, war neben mir. Er war in Paris gewesen, war mir zuvorgekommen, hatte mich erwartet, hatte Heywood getötet,
Weitere Kostenlose Bücher