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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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her, die sich wie ein nasses Handtuch auf mein Gesicht legten. Die Sichtweite betrug nicht mehr als eine Armlänge. Innerhalb kürzester Zeit war ich naß bis auf die Haut, während ich über das unebene Gelände stolperte und das Gipfelplateau des Felsens zu erklimmen versuchte.
    Ich kam mir vor wie auf der Flucht durchs Moor vor Conan Doyles ›Hund von Baskerville‹ – ein Fehltritt, und ab ging’s in die Ewigkeit. Ich war weder Sherlock Holmes, noch war dieser Köter hinter mir her, aber ich hatte eine so gut wie schlaflose Nacht hinter mir und versuchte krampfhaft, meine Furcht in Schranken und meine fünf Sinne wachzuhalten.
    Ich arbeitete mich langsam Schritt für Schritt voran, aber wohin ich auch blickte, ich sah nichts als dichten Nebel. Kein Kloster, keinen schroffen Felsabsturz, der irgendwo zu meiner Linken sein mußte, keine gegen die Felswand anstürmende Brandung tief unter mir.
    Endlich gelangte ich zu der verfallenen Umfassungsmauer des Friedhofs und versuchte mich zu erinnern, welche Richtung ich jetzt einschlagen mußte. Wo ging es zu den glitschigen Stufen, die Bruder Leo mich gestern hinuntergeführt hatte? Ich tastete mich am Rand der Klippe entlang, bis ich den Beginn des Abstiegs fand. Ich hatte das Gefühl, schon seit Stunden unterwegs zu sein, war durchnäßt, taub vor Kälte, erschöpft von der Suche im Nebel und hatte Angst vor dem Abstieg. Ja, ich hatte Angst.
    Ich hielt mich an Büscheln von Stechginster, an bröckeligen Felsvorsprüngen und an alten, vorstehenden Wurzeln fest und betete, daß nichts von alldem sich löste oder abriß, als ich mich an den Abstieg machte, Schritt für Schritt, Stufe für Stufe den Weg in die Tiefe ertastend, die Felswand hinunter. Der Nebel wirkte wie ein Filter, das Donnern und Rauschen der Brandung klang nur gedämpft zu mir hinauf. Gleichzeitig aber machte er mich blind, sorgte dafür, daß ich immer wieder die Orientierung verlor; andererseits schien er den Tastsinn zu schärfen: Ich glaubte, immer dann eine leichtes Erbeben des Felsens unter den Fingern und den Füßen spüren zu können, wenn eine Welle donnernd gegen die Wand angerannt war.
    Dann, irgendwo zwischen dem höchsten Punkt der Wand und dem Sandstrand, packte mich urplötzlich das nackte Entsetzen: Ich hatte für einen Augenblick das Gefühl gehabt, auszugleiten, mich nicht mehr halten zu können und kopfüber in das graue Nichts unter mir zu stürzen. Ich hing stocksteif und keuchend in der Wand, mit brennenden Muskeln, und wartete, bis das Schlimmste vorüber war; dann setzte ich vorsichtig den Fuß auf die nächste Stufe. Rutschte aus. Packte mit der Rechten blitzschnell ein neben mir aus dem Fels hängendes Büschel dünner Wurzeln – und zog sie durch mein Körpergewicht langsam aus dem Felsspalt, in dem sie steckten. Ich hörte mich aufschreien, als ich fiel und mich in der Luft wie eine Katze drehte, Gesicht zur Wand, als ich mir die Hände am Gestein zerkratzte beim Versuch, noch Halt zu finden, Rettung – doch es gab keine.
    Ich prallte schmerzhaft auf den Sandstrand, auf allen vieren, verharrte mit hängendem Kopf wie ein geprügelter Hund und rang nach Atem, vom Schock noch wie gelähmt. Ich war höchstens fünf Meter tief gestürzt. Ich hatte also schon fast den Fuß der Felswand erreicht gehabt. Ich keuchte, setzte mich auf, lehnte mich mit dem Rücken an den Fels und wischte mir den Schweiß aus dem Gesicht.
    Durch den verdammten Nebel konnte ich noch immer rein gar nichts erkennen. Am liebsten hätte ich den Kram hingeschmissen. Ich hatte die Nase endgültig voll von all diesen gottverfluchten Greueln.
    Ich werde wohl niemals sagen können, was ich getan hätte, wäre es mir nicht doch noch gelungen, den Nebel zu durchdringen. Vielleicht wäre ich einfach am Fuß der Felswand sitzen geblieben, katatonisch, eine leere Körperhülle, die einst einen Menschen enthalten hatte. Aber überraschenderweise drehte der Wind, wehte nun vom Meer herüber; Regen setzte ein und riß Löcher in den Nebel, und ich sah zu meiner Rechten für einen Augenblick einen Streifen Sandstrand und wußte wieder, wo ich mich befand.
    Ich stand auf; meine Knie schmerzten höllisch vom Sturz, und meine Händflächen waren aufgerissen und blutig. Der Regen peitschte mir ins Gesicht, und ich ging auf wackligen Beinen zu der Felsspalte hinüber, wo ich Leo und Bruder Padraic antreffen würde. Ich fluchte lauthals auf die beiden Alten, denen ich diese unmögliche Kletterpartie zu verdanken hatte.

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