Assassini
damit ich nichts über die Assassini herausfinden konnte, und hatte versagt. Er hatte versucht, mich in Princeton zu töten, und ich wußte, daß er es wieder versuchen würde … und ich fragte mich in der Trostlosigkeit dieser stürmischen, regnerischen Nacht, ob ich überhaupt eine Chance gegen ihn hatte.
Ich gähnte, schauderte, zog die Decken noch enger um den Körper. Ich war sicher in dieser Zelle. Horstmann konnte unmöglich wissen, wo ich mich aufhielt … und doch war er hier gewesen, vor vierzig Jahren war er genau hier gewesen, im Kloster St. Sixtus.
Ich mußte mich zusammenreißen. Ich mußte aufpassen, daß die Furcht vor Horstmann sich nicht so sehr in meinem Innern festsetzte, daß sie mich aus der Bahn warf. Aber er war ein so unerbittlicher Killer, so entschlossen, so gnadenlos; er tötete, um seine Geheimnisse zu wahren, Simons Geheimnisse, und ich konnte ihn spüren, konnte seinen Atem hören, seine sich nähernden Schritte …
Konnte ich unsere Rollen jetzt vertauschen? fragte ich mich. Konnte ich zum Jäger werden und ihn hetzen, bis ich ihn gestellt hatte? Wie konnte ich einen Unsichtbaren jagen? Konnte ich ihn jagen und in die Enge treiben und ihn töten, aus Rache für Val und Lockhardt und Heywood und Heffernan? Brachte ich es überhaupt fertig, jemanden zu töten? Nun, falls ich es konnte, dann wußte ich jedenfalls, wen ich töten würde.
Doch er war in seinem Wahnsinn so übermächtig, so überwältigend, weit jenseits meines Begriffsvermögens wie alle großen Geheimnisse der Kirche. Ich kam mir wie ein Mann vor, der von einer mystischen Bestie verfolgt wurde, die sich unsichtbar machen konnte, wann immer sie wollte, um dann in einer Säule aus Rauch und Flammen urplötzlich wieder zu erscheinen, gerade lange genug, daß ich mich auf sie stürzen konnte – um dann von einem Moment zum anderen wieder zu verschwinden, während ich Hals über Kopf in mein Verhängnis lief. Aber ich hatte keine Wahl. Ich mußte weitermachen, mit aller Kraft, bis es vorüber war.
Was Leo betraf, waren meine Gefühle widersprüchlicher Natur. Er verunsicherte mich. Er war ein netter, anständiger alter Mann, und doch stieß mich die Geschichte ab, die er mir über die Assassini in Paris erzählt hatte. Der eigennützige Verrat an der Resistance, um es sich nicht mit den Nazis zu verderben … andererseits war dies wohl ein ziemlich genaues Spiegelbild der Haltung der Kirche in jener Zeit. Pius wäre nicht mal auf den Gedanken gekommen, Hitler zu exkommunizieren! Und dann war da Leos Reaktion, was Simon betraf. Leo schien ihn für eine Art Heiligen zu halten. Dieser Simon, der – mit welchen Mitteln auch immer – in den Besitz des Geheimkonkordats gekommen war, schien mir ein mindestens so gnadenloser Killer wie Horstmann zu sein, vielleicht noch Schlimmeres. Aber die Verhältnisse damals waren schrecklich kompliziert gewesen, und wer war ich denn, daß ich mich zum Richter aufschwingen konnte -ich, der ich selbst einen Mann finden und ihn töten wollte?
Was war nach dem Krieg mit Simon geschehen?
Wer war er? Und war er derjenige, der Horstmann jetzt wieder die Befehle erteilte?
Bevor ich endlich einschlief, galten meine letzten Gedanken Val, und ich fragte mich, ob sie und Schwester Elizabeth all diese Informationen zu einem Bild hätten zusammenfügen können …
Das erste Mal fuhr ich aus dem Schlaf, als mir bestimmte Erinnerungen mit geradezu beängstigender Deutlichkeit vor Augen standen: Ich sah Val tot in der Kapelle liegen; ich hörte meinen Vater – später in jener höllischen Nacht – im Long Room mit mir reden, als er versucht hatte, seinen Schmerz und seinen Kummer zu bezähmen; dann das Geräusch, als er am Morgen die Treppe hinuntergestürzt war – alles in einem wirren Kaleidoskop aus Bildern und Geräuschen. Als ich das zweite Mal erwachte, fror und schwitzte ich gleichzeitig; mein Magen war völlig verkrampft. Ich schüttelte den Kopf im Versuch, die Traumbilder zu verscheuchen. Dann sah ich Elizabeth im Türeingang des Hauses in Princeton stehen, als sie so unerwartet dort eingetroffen war und ich sie zuerst für Val gehalten hatte.
Später sah ich das im Mondlicht blitzende Messer, spürte den Stich, den Schmerz, das kalte Eis auf meinem Gesicht, hörte die Stimme Sandanatos wie aus weiter Ferne.
Ich fand keinen Schlaf mehr, und das erste graue Tageslicht kam früh.
Als ich die Mönchszelle verließ, trieb der kalte Wind dichte, fast undurchdringliche Nebelschwaden vor sich
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