Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
Vom Netzwerk:
Borgia-Konkordat. Also konnte ich diese Urkunde gewissermaßen abhaken. Es sei denn, ich fand heraus, an wen er sie weitergeben wollte.
    Aber warum hatte er nicht einfach in der Höhle auf mich gewartet und mich ebenfalls abgestochen wie den alten Padraic? Warum hatte er die Arbeit, die er begonnen hatte, nicht zu Ende geführt? Diesmal wäre es doch so einfach für ihn gewesen. Aber er hatte mich leben lassen … Lag es daran, daß er nun im Besitz des Konkordats war? Wie wichtig war diese Urkunde? Waren dort auch die Namen von Simons Assassini aufgelistet? Oder führte das alles darüber hinaus? Wollten sie gar noch Namen hinzufügen?
    Nein. Das war verrückt.
    War ich für sie bedeutungslos geworden? Jetzt, da die beiden alten Männer beseitigt waren, die die Antwort auf das Rätsel der Assassini gewußt hatten, jetzt, da sie das Konkordat an sich gebracht hatten – war meine Wenigkeit jetzt nur mehr ein nutzloses, harmloses Anhängsel? Aber warum hatte Horstmann dieses Anhängsel dann nicht abgeschnitten?
    War es möglich, daß jemand mich schützte? Hatte Horstmann von irgend jemandem den Befehl bekommen, mich nicht zu töten? Aber wer konnte das sein? Bis jetzt hatte es nur einen einzigen Menschen gegeben, der Horstmann Befehle erteilt hatte: Simon Verginius. Und das war lange her.
    Andererseits – Horstmann hatte ja bereits versucht, mich zu ermorden. Warum sollte er jetzt einen anderslautenden Befehl erhalten haben? Und selbst wenn ich jetzt bedeutungslos geworden sein sollte, warum hatte man mich, den Störenfried, nicht ein für alle Male aus dem Weg geräumt? Ob er zwei oder drei Menschen tötete, machte für Horstmann – und seine Auftraggeber -gewiß keinen Unterschied.
    Vielleicht hatte ich einfach nur Glück gehabt. Vielleicht war mir dadurch, daß ich zu spät zu meiner Verabredung mit Bruder Leo gekommen war, ein Rendezvous mit dem Messer erspart geblieben. Möglicherweise hatte Horstmann die Höhle verlassen, um im Nebel nach mir Ausschau zu halten; vielleicht waren wir nur wenige Meter entfernt aneinander vorbeigegangen, ohne daß einer den anderen gehört oder gesehen hatte, und ich hatte nur deshalb überlebt … Aber warum hatte er dann Leo, wie als Warnzeichen für mich, am Strand gekreuzigt?
    Himmel noch mal, das führte doch alles zu nichts.
    Und dann ertappte ich mich dabei, daß ich an Schwester Elizabeth dachte und mir wünschte, ihr die ganze Geschichte erzählen zu können, alles, was ich hinter mir hatte, daß ich mir wünschte, ihr Gesicht und ihre grünen Augen zu sehen, daß ich mir wünschte – Gott stehe mir bei –, sie in die Arme zu schließen, mich an ihr festzuhalten.
    Ein verrückter Gedanke. Sicher auf den Schock zurückzuführen.
    Ich blieb noch ein Weilchen im Park sitzen. Hinter der braunen Rasenfläche, auf der die Kinder, in dicke Parkas gehüllt, Fußball spielten, befand sich der Bahnhof. Ein kleines Ziegelsteingebäude, ein schmuckloser Vorposten für einsame Reisende, mit den Jahren rußig und schäbig geworden. Ich beobachtete, wie ein Zug einfuhr, ein oder zwei Minuten hielt und dann schnaufend und ratternd wieder abfuhr.
    Ein Mann trat aus dem Bahnhofsgebäude und ging in meine Richtung. Er kam zwischen den fußballspielenden Kindern über den Rasen genau auf mich zu. Er blieb vor mir stehen und stellte seine Reisetasche auf den Boden.
    »Man hat mir gesagt, hier hält der Bus nach St. Sixtus.« Er wandte sich um, blickte die Straße hinunter. »Sie sehen noch schlimmer aus, als ich es für möglich gehalten hätte.« Er drehte sich wieder zu mir, betrachtete mich naserümpfend. »Ihr Schneider sollte Sie mal so sehen. Sie sind eine wahre Schande für die privilegierte Klasse.«
    »Father Dunn«, sagte ich.

4
    Er saß im Erster-Klasse-Abteil und betrachtete den verwaschenen Fleck der Sonne hinter den dichten Regenwolken, das Spiel aus Licht und Schatten, das die Landschaft plastisch hervorhob. Der Zug war nur mäßig besetzt. Zwei weitere Priester im Abteil aßen Sandwiches und anschließend Äpfel, die sie vorher an ihren schwarzen Soutanen polierten.
    Horstmann beobachtete sie eine Zeitlang und ließ dabei seinen alten Rosenkranz durch die Finger gleiten, den Papst Pius vor dem Krieg bei einer Audienz höchstpersönlich gesegnet hatte. Dann schob er ihn zurück in die Tasche und setzte die Brille auf, nachdem er zuvor sanft seinen Nasenrücken massiert hatte, auf dem der Bügel eine rötliche Kerbe hinterlassen hatte. Er schloß die Augen. Es war eine

Weitere Kostenlose Bücher