Assassini
der Zusammenbruch auf eines der Medikamente zurückzuführen. Das alles ist mir so verleidet, Giacomo.«
»Aha. Die Heilung ist schlimmer als die Krankheit.«
»Es gibt keine Heilung, mein Freund. Das macht diesen ganzen Zirkus zu einem sehr schlechten Scherz. Auf meine Kosten. Was meinen Zustand betrifft, stelle ich nicht mehr viele Fragen. Wen kümmert es denn? Verstehen Sie? Wen, in Gottes Namen, kümmert das noch? Wer möchte es wissen? Es ist ganz einfach unwichtig, völlig unwichtig.« Er lächelte ironisch. »Jedenfalls unwichtig in den Augen Gottes und seines Planes.«
»Ach, Sie glauben, Gott hat einen Plan? Nein, das glaube ich nicht.« D’Ambrizzi schüttelte sein mächtiges Haupt. »Nein. Er muß improvisieren. Niemand, nicht einmal Gott – wer immer er oder sie auch sein mag – könnte einen so erbärmlichen Plan entworfen haben.« Er zündete sich eine seiner schwarzen Zigaretten an. »Aber ich bin zu Ihnen gekommen, um genau darüber mit Ihnen zu reden …«
»Daß Gott keinen Plan verfolgt? Oder über die Frage, ob Gott männlichen oder weiblichen Geschlechts ist? Wenn er überhaupt eins besitzt?«
»So unterhaltsam dieses Thema auch sein würde«, sagte D’Ambrizzi, »das Problem, das mir am Herzen liegt, hat rein gar nichts mit Sex zu tun. Es hängt damit zusammen, daß Sie noch gebraucht werden, Heiligkeit, dringend gebraucht, gleichgültig, wie viel oder wie wenig Zeit Ihnen noch verbleibt. Wir müssen miteinander reden.«
Calixtus erhob sich und verzichtete bewußt auf den Gehstock, als er langsam hinüber zum Fenster ging. Er war – idiotischerweise, dachte er bei sich – froh zu leben. Dankbar für diesen kleinen Segen, mochte die Welt, in die er bald hinüberwechseln sollte, noch so wundervoll sein. Froh, obwohl die Nächte und die Tage, die Träume und all seine Erinnerungen von Gedanken an den Tod erfüllt und verpestet waren. All die Opfer, all die Toten aus ferner Vergangenheit, all diejenigen, die erst vor kurzer Zeit ermordet worden waren, die neun Menschen … und wie vielen stand dieses Schicksal noch bevor? Wer konnte dieser Schreckensherrschaft ein Ende setzen? Wer konnte den Sinn ergründen, ihn herauskristallisieren, und den Kristall zerschmettern? Jede Nacht kreisten seine Gedanken, seine Träume um die Toten; jeden Morgen stand er auf und betete, quälte sich dann zur Morgenandacht und erledigte seine alltäglichen Aufgaben – immer unvollkommener, wie ihm sehr wohl bewußt war.
Die Welt gewöhnte sich an den Gedanken, daß seine Tage gezählt waren. Nun, warum auch nicht? Er war Calixtus, aber seit er wußte, daß er unheilbar krank war, kletterte er mit jedem Tag ein kleines Stück vom hehren päpstlichen Thron weiter zurück in die Realität, schlüpfte wieder mehr und mehr in die Identität des Salvatore di Mona …
»Sie möchten also mit mir reden«, sagte Calixtus. »Wissen Sie, Giacomo, manchmal wird mir bewußt, daß ich in Wirklichkeit Kardinal D’Ambrizzi gegenübersitze und mit ihm rede, einem der großen Männer der Kirche, einem der bedeutendsten Männer unserer Zeit, Saint Jack, und das macht mich betroffen, ehrlich gesagt. Wer bin ich schon, Ihnen die Zeit zu stehlen, Sie davon abzuhalten, sich um ihre schwierigen Aufgaben, die dringenden Pflichten zu kümmern – lächeln Sie nicht, Giacomo. Das ist mein voller Ernst. Sie sind D’Ambrizzi.-. und ich bin …«
»Der Boß«, sagte D’Ambrizzi. »Ja, Heiligkeit, ich möchte mit Ihnen reden.«
»Ist Ihnen nicht klar, Giacomo, daß wir in gefährlichen und menschenverachtenden Zeiten leben?«
D’Ambrizzi lachte. »Nicht besonders. Alle Zeiten waren gefährlich und menschenverachtend. Und das waren die guten Zeiten.«
»Da mögen Sie recht haben. Aber ich hatte mit meiner Bemerkung eher darauf abgezielt, daß wir uns in Ihrer Wohnung unterhalten sollten, falls es Ihnen recht ist. Es ist durchaus möglich, daß gewisse Herrschaften hier Abhörgeräte – Wanzen, wissen Sie – angebracht haben. Aber Sie abzuhören werden diese Leute gewiß nicht wagen.«
»Welche Leute?«
»Raten Sie mal.« Er nahm seinen Morgenmantel vom Fußende des Bettes, streifte ihn über und griff schließlich widerwillig zum Gehstock. »Kommen Sie, gehen wir zu Ihnen.«
D’Ambrizzi erhob sich, um ihm durch die Tür ins Vorzimmer zu folgen, als Calixtus stehenblieb. »Ich glaube, wir sollten es nicht riskieren, mein Sauerstoffgerät hier zu lassen.« Er wies mit dem Kopf auf das Wägelchen. »Würden Sie so freundlich
Weitere Kostenlose Bücher