Assassini
in den Händen. Seine Hände waren faltig, die Haut papierdünn, und sie zitterten leicht, doch sein Gesichtsausdruck war wach und aufmerksam. Als D’Ambrizzi vorschlug, eine Pause einzulegen, winkte der todgeweihte Mann entschieden ab, und in seiner Stimme lag ein wenig Unmut.
»Nein, nein, nein, ich kann Ihnen durchaus noch folgen. Wenn Sie fertig sind, kann ich lange genug ruhen, Giacomo.«
»Also gut. Nun, wenden wir uns wieder einigen unbequemen Wahrheiten zu«, fuhr D’Ambrizzi mit tiefer, rauher Stimme fort, verlieh seinen Worten Nachdruck. »Unsere Kirche ist erneut gefangen. Sie ist zum Sklaven der nichtkirchlichen Welt geworden – der profanen Welt und ihrer niedrigsten Begierden. Begreifen Sie, was ich sagen will? Begreifen Sie es wirklich? Wir sind Gefangene rechtsgerichteter Diktaturen, linksgerichteter Befreiungsbewegungen, Gefangene der CIA und der Mafia und des KGB und der bulgarischen Geheimpolizei und der Propaganda Due und des Opus Dei und von Banken überall auf der Welt, Gefangene zahlloser ausländischer Geheimdienste, der selbstsüchtigen Interessen in der Kurie, all unserer ungezählten Besitztümer in Immobilien und Beteiligungen – kurz gesagt, wir sind Gefangene unserer Gier nach Macht, Macht, Macht! Wenn ich mir die Frage stelle, was die Kirche will, dann denke ich an eine Zeit zurück, als die Antwort auf diese Frage vielschichtig gewesen sein mag, weil sie Urteilskraft, Entscheidungsfähigkeit und einer klaren Definition von Gut und Böse bedurfte – aber heute weiß ich die Antwort schon, bevor ich mir die Frage überhaupt stelle: Die Kirche will mehr, immer mehr!«
Der Papst spürte einen plötzlichen Druck in der Brust und warf einen raschen Blick zum Sauerstoffgerät hinüber. Es war seit seinem Zusammenbruch sein ständiger Begleiter geworden. Jetzt war das Gerät vielleicht von Nutzen … Dann aber verschwanden der Druck, das Gefühl der Beklemmung. Falscher Alarm. Er wischte sich mit einem Taschentuch ein Speichelbläschen aus dem Mundwinkel, bevor er antwortete.
»Aber Sie, Giacomo, haben doch mehr als jeder andere lebende Mensch der Kirche einen so weltlichen Stempel aufgeprägt. Sie haben sie der modernen Welt anzupassen versucht, der wirklichen Welt. Denn auf dieser Ebene müssen wir unsere Entscheidungen treffen, dort müssen wir ums Überleben kämpfen. Sie, Sie haben Ihren Einfluß geltend gemacht, um Ihre Vorstellungen durchzusetzen. Im Westen, im Ostblock, in den Staaten der Dritten Welt. Sie, Giacomo, haben das finanzielle Geschick der Kirche geleitet und ihr Vermögen auf eine so schwindelerregende Höhe gebracht. Sie waren es, der bei den heikelsten Problemen mit all den verschiedenen Machtgruppen verhandelt hat. Das ist unbestreitbar. Also -was soll ich mit dem, was Sie mir erzählen, anfangen?«
Ein schmales Lächeln spielte um Calixtus’ ausgetrocknete Lippen. Sein Gesicht war weiß wie ein Laken. Die Haut war fast durchsichtig, ließ die Struktur des Schädels erkennen.
»Nennen Sie es die hart erworbene Weisheit eines alten Mannes, Salvatore. Als Ergebnis vieler Jahre Arbeit auf Gebieten, wie Sie sie gerade beschrieben haben. Sie haben aber die Möglichkeit, von dem zu profitieren, was ich jetzt, am Ende meiner Laufbahn, zu verstehen beginne. Noch ist Zeit genug. Darum müssen Sie mir zuhören und begreifen. Wir haben ein Zeichen bekommen, Salvatore – für mich war es das erste Mal in meinem Leben. Ein Zeichen, das uns warnen sollte, führen sollte … wir aber haben seine wahre Bedeutung ignoriert!« Seine Faust fuhr herunter, krachte auf die Tischplatte. Calixtus betrachtete D’Ambrizzi mit einer Mischung aus Erschrecken und Neugierde.
»Die Morde«, flüsterte D’Ambrizzi. »Ich bete, daß Sie begreifen, Heiligkeit. Die Morde – ein Zeichen wie das Kreuz, das Konstantin in der Abenddämmerung am Himmel erschienen ist. Sie, Heiligkeit, haben eine so große Chance, die Kirche wieder zum Guten umzuformen, wie sie kein Papst vor Ihnen besessen hat. Sie können die Kirche wieder ihren ursprünglichen Aufgaben zuführen, ihren wahren Aufgaben … wenn Sie nur das Zeichen erkennen, die Wahrheit hinter den Morden.
Es sind keine heiligen Morde, Salvatore. Es sind keine kirchlichen Morde, sie sind nicht das, was sie zu sein schienen, nicht das, was wir vielleicht vermutet haben. Wir sind Narren gewesen, blind gegenüber dem, was wir hätten sehen können. Wir haben uns in die schützenden Mäntel unserer Selbstüberschätzung gehüllt. Diese Morde, von
Weitere Kostenlose Bücher