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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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Gerissenheit gelang es ihm, Kontakte zum Geheimdienstnetz der Alliierten in Frankreich und der Schweiz zu knüpfen; er entschied sich gegen die Briten und Franzosen, weil diese beiden Nationen emotional zu belastet waren und einen zu großen Haß auf das Dritte Reich und diesen Krieg besaßen, Hitlers Krieg, so daß Kessler möglicherweise unter die Räder gekommen wäre, wenn er den englischen oder französischen Geheimdienst kontaktiert hätte. Er wandte sich statt dessen an die Amerikaner. Es gelang ihm, mit Hilfe eines Jugendfreundes Verbindungen zu einem OSS-Agenten aufzunehmen, einem von Wild Bill Donovans Cowboys, wie Gehlen sie bezeichnete. Der OSS-Mann akzeptierte Kesslers Wünsche, weil er dessen Aufrichtigkeit und Nützlichkeit erkannte, und wurde in der Folgezeit sein Kontaktmann.
    Ab 1943 lieferte Kessler den Alliierten über den Amerikaner Informationen über die Arbeitsweise und die Schwerpunkte der deutschen Geheimdiensttätigkeit sowie über die gesammelten Erkenntnisse; für die Alliierten allerdings noch interessanter -zumal der Ausgang des Krieges nicht mehr in Frage stand -waren Kesslers profunde Kenntnisse über die Russen und deren Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten ihrer Verbündeten. Kesslers Kontaktleute wußten schon 1943, daß nach dem Krieg der wirkliche Feind die gottlosen kommunistischen Bastarde sein würden und daß sich daher die westliche Geheimdienstarbeit entsprechend darauf vorbereiten mußte. Und Kesslers Informationen über die Russen konnten hier dienlich sein. Aus diesem Grunde verbrachte Kessler die meisten Kriegsjahre damit, für seine eigene Zukunft zu sorgen, wie übrigens auch Gehlen, der zum besten Kenner des sowjetischen Geheimdienstes in der Nachkriegszeit wurde und die CIA mit ausgezeichneten Informationen versorgte.
    Nach Kriegsende wurde Kessler ein sozusagen offizieller amerikanischer Agent, der überall in Europa arbeitete, allerdings verdeckt. Was ihn jedoch grundlegend von anderen einstigen deutschen Agenten unterschied, die von den Siegermächten nun für ihre eigenen Zwecke eingespannt wurden, waren seine herausragenden Kenntnisse auf einem ganz bestimmten, für einen Geheimdienstmann recht ausgefallenen Gebiet: der katholischen Kirche. Man vermutete – wohl nicht zu Unrecht –, daß Kessler mehr über die Aktivitäten der Kirche während der Kriegsjahre wußte als irgendein anderer lebender Mensch. Die Akten, die er über die Kirche im Krieg zusammengestellt hatte, waren in gewissen Kreisen unter dem Namen Kessler-Codex bekannt. Und diese Unterlagen sorgten für eine ziemlich heftige Auseinandersetzung zwischen dem Vatikan und den Amerikanern. Kessler hatte die Akten in einem Safe in einer Schweizer Bank deponiert, nachdem er sie auf Mikrofilm hatte verkleinern lassen und sie, versteckt in einem Musterkoffer mit Damenunterwäsche, von einem Handelsvertreter nach Zürich hatte einschmuggeln lassen. Dort ließ Kessler sie für einige Jahre auf Eis liegen, bis er sie dann zum Verkauf anbot. Verständlicherweise machte die Kirche ihm das höchste Angebot: Der Vatikan mußte die Akten haben, während sie für die Amerikaner nicht sonderlich von Interesse waren.
    Kurz nachdem der Vatikan die Unterlagen erworben hatte, wurde Kessler in seinem Maserati auf der Grand Corniche zwischen Nizza und Monaco von einem anderen Fahrzeug von der Straße gedrängt. Wie durch ein Wunder kam er mit dem Leben davon. Wer hatte versucht, ihn zu ermorden? Der Vatikan? Um den Mann für immer zum Schweigen zu bringen? Oder die CIA, für die Kessler inzwischen nutzlos geworden und der zudem verstimmt war, weil er die Unterlagen an den Vatikan verkauft hatte? Selbst Kessler war sich nie ganz sicher. Aber er bedauerte zutiefst die Tatsache, daß er aus unerklärlichen Gründen keine Sicherheitskopie seines ›Codex‹ angefertigt hatte. Er hatte sich selbst einen kräftigen Tritt in den Hintern verpaßt, und nun hätte er nichts lieber getan, als dem Schuldigen in den Arsch zu treten – was aber ironischerweise nicht mehr möglich war.
    Der Autounfall hatte ihn nämlich zum Krüppel gemacht. Er war für den Rest seines Lebens an den Rollstuhl gefesselt. Er verbrachte mehr als ein Jahr in einem französischen Krankenhaus.
    Nach seiner Genesung verlegte er seinen Wohnsitz nach Brasilien, wollte sich in Rio zur Ruhe setzen; dann aber zog er nach Buenos Aires weiter, wohin sich viele alte Nazis abgesetzt hatten; Kessler aber konnte ihr Gerede von einem Vierten Reich und der glorreichen

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