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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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Rückkehr der teutonischen Ritter auf die Weltbühne nicht lange ertragen. Also verlegte er ein weiteres Mal seinen Wohnsitz und siedelte nach Australien über, nach Brisbane. Dort aber kam er sich wie auf dem Mond vor. Also ging es wieder weiter. Die nächste Station war Japan, wo er einige Jahre verbrachte.
    Jedenfalls war er immer auf seinen Schutz bedacht. Und jedesmal, wenn er weiterzog, schien er sich tiefer in den Nebel der Vergangenheit zurückzubewegen, wurde mehr und mehr zu einer Legende, zu einer schillernden Erinnerung, verlor mehr und mehr die Konturen, während die Zeit ihn einhüllte wie der Umhang eines Straßenräubers. Aber noch immer gab es Menschen, die ihn nur allzu gern ins Jenseits befördert hätten. Obwohl sie schließlich seine Spur verloren, wurde gemunkelt, Kesslers Verfolger würden die Suche niemals aufgeben, weil sie nicht aufgeben durften. Vielleicht waren sie aber der Überzeugung, schon ihre Entschlossenheit, ihn aufzuspüren und zum Schweigen zu bringen, würde genügen, daß Kessler in dem Loch blieb, in dem er sich verkrochen hatte …
    »Er ist mir nach dem Krieg in Paris über den Weg gelaufen«, sagte Dunn und lutschte eine weitere Hustenpastille. Er zog seinen Schal enger um den Hals und streifte seinen gefütterten, imprägnierten Mantel über. Die Wolken hatten sich vor die Sonne geschoben; es war merklich kühler geworden. Notre-Dame wirkte plötzlich geduckt und düster, nicht mehr so hoch aufragend und erhaben. »Denn es war fast unmöglich, Kessler nicht über den Weg zu laufen. Er war allgegenwärtig. Ich habe ihn ein paarmal getroffen, meist auf ein paar Drinks in einem Bistro. Der Mann hat mich fasziniert. Er vertrat einen interessanten Standpunkt, was den Krieg betraf, obwohl man erst viele kleine Bruchstücke zusammenfügen mußte, um ein ungefähres Bild seiner Weltanschauung zu bekommen. Ich war ihm sympathisch, ich, der pietätlose Priester, der im Grunde nicht mehr als ein klugscheißerischer junger Schnösel war. Er hat mich offenbar als einen Menschen betrachtet, der die geistigen Verrenkungen des Vatikans, sich nach Kriegsende moralisch aus der Affäre zu ziehen, nicht sonderlich ernst genommen hat.
    Habe ich übrigens auch nicht. Aber ich mache mir gar nichts vor: Nicht ich habe ihn geistig bestohlen, was Informationen über die Kirche betraf, sondern er mich. Erich war mir voraus. Er hat mich ausgenommen wie eine Weihnachtsgans. Tja, jedenfalls habe ich ihn irgendwann aus den Augen verloren. Aber er gehörte zu jenen Menschen, die man nicht so schnell vergißt. Ich habe noch lange an ihn denken müssen. Und ich habe mir im Laufe der Jahre jede noch so beiläufige Bemerkung, jeden Verdacht, jeden Hinweis auf sein Schicksal eingeprägt. Immerhin war er ja von besonderem Interesse für uns Katholiken. Daß er angeblich nach Europa zurückgekehrt ist, war die letzte Information, die ich über ihn bekommen habe. Und dann habe ich D’Ambrizzis Testament gelesen, all das Zeug über die Assassini – eine wirklich heiße Sache. Die Kirche würde zweifellos jeden beseitigen lassen, der diese Angelegenheit an die Öffentlichkeit bringen will. Tja, und dann habe ich versucht, mir einen Reim auf die ganze Geschichte zu machen. Val und Lockhardt und Heffernan sind getötet worden, ein Priester war der Mörder, soweit wir wissen. Jedenfalls … man braucht kein Genie zu sein, um dahinterzukommen, aber was mich stutzig gemacht hat, ist die erstaunliche Verbindung zwischen zwei so völlig unterschiedlichen Epochen, zwischen denen außerdem ein Zeitraum von gut vierzig Jahren liegt. Und es gab nur eine einzige Person, mit der ich mich gern über die alten Zeiten unterhalten hätte, nämlich Erich Kessler. Er wußte von allen Beteiligten das meiste, und er war kein Priester oder Mönch, er war nicht mal Katholik, er hatte kein persönliches Interesse daran, all seine Geheimnisse für sich zu behalten. Im Gegenteil, er hatte verdammt gute Gründe, der Kirche mit seinem Wissen eine so tiefe und schmerzhafte Wunde zu reißen, wie er nur konnte, falls er glaubte, die Kirche habe ihn damals zum Krüppel gemacht, als sie versuchte hatte, ihn in seinem Wagen zu ermorden.
    Aber wie sollte ich ihn finden?
    Nun, wie ich schon sagte, sind mir Gerüchte zu Ohren gekommen, daß er nach Europa zurückgekehrt sei, daß sein Gesundheitszustand sich verschlechtert habe. Aber stimmte das? Oder handelte es sich nur um den Versuch Erich Kesslers, eine falsche Fährte zu legen? So etwas hätte

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