Assassini
auszudrücken pflegte. Ich möchte noch mal auf Vals Liste zurückkommen. Es stand ein sechster Name darauf. Aber dieser Mann scheint gar nicht zu existieren. Wir können nichts über ihn herausfinden. Aber hinter diesem Namen steht kein Sterbedatum. Ist Val vielleicht davon ausgegangen, daß dieser Mann schon tot war, bevor die anderen ermordet wurden? Oder glaubte sie, er sollte das nächste Opfer werden? Erich Kessler. Sein Name ist Erich Kessler …«
»Sie machen wohl Witze!« Das war mir einfach herausgerutscht. Ich blickte Dunn an. »Wie hat Val seinen Namen herausgefunden, bei allen Heiligen?«
»Sie hat ihn herausgefunden«, sagte Dunn, »das allein zählt.« Er schaute Elizabeth an, dann mich. »Und was Kessler betrifft, wissen wir, warum man versucht hat, ihn ebenfalls zu ermorden. Teufel noch mal, vielleicht kennt er die ganze Wahrheit …«
»Moment mal!« Elizabeth bedachte uns mit einem fassungslosen Blick. »Soll das heißen, ihr wißt, wer er ist?«
Und damit nahm ein langer Abend seinen Lauf. Wir mußten versuchen, das, was wir jeweils herausgefunden hatten, in Einklang zu bringen. Ich bat Elizabeth, ihre Geschichte noch einmal detailliert zu erzählen, bevor ich über meine Erlebnisse berichtete, damit wir uns nicht hoffnungslos verzettelten. Sie erfüllte mir meinen Wunsch nur zu bereitwillig. Sie war wieder voller Leben, voller Begeisterungsfähigkeit, voller Aufregung ob der neuen Entdeckungen. Elizabeth, Dunn und ich – die nächtliche Diskussionsrunde am Küchentisch des Driskillschen Hauses in Princeton schien wieder aufzuleben.
Elizabeth hatte D’Ambrizzi und seinem getreuen Schatten Sandanato von ihren Entdeckungen berichtet. Sie hatte den beiden die ganze Geschichte deshalb anvertraut, weil Val den Kardinal von allen Kirchenmännern am längsten gekannt und am meisten respektiert und geschätzt, ja geliebt hatte, schon seit ihrer Kindheit. Aber – und hier funkelten ihre grünen Katzenaugen plötzlich zornig – die beiden hatten sie gar nicht ernst genommen, hatten die Theorie über die Assassini als Hirngespinst abgetan und diesen Geheimbund als alte, antikatholische Gruselgeschichte bezeichnet, die jeder Grundlage entbehre. Sie hatte aber nicht locker gelassen und D’Ambrizzi ein zweites Mal darauf angesprochen, worauf er ihr offenbar eine ungewohnt heftige Abfuhr erteilte. Daraufhin hatte Elizabeth sich wutentbrannt entschlossen, nach Paris zu reisen, um sich in Lockhardts Wohnung umzuschauen, die Val während ihres Aufenthalts in Paris bewohnt hatte. Aber dann hatte sich, erst vor ein paar Tagen, eine dramatische Wendung eingestellt, an einem Abend in Elizabeth’ Apartment in Rom. Und plötzlich hatte D’Ambrizzi sie ernst nehmen müssen.
Ich fragte: »Was ist denn an diesem Abend so Bedeutsames passiert?«
Aber Dunn unterbrach mich. Er wollte von Elizabeth wissen, was genau D’Ambrizzi über diese mystische Bestie, die Assassini, gesagt hatte.
Sie erwiderte, D’Ambrizzi habe ihr gesagt, all diese Geschichten seien nichts weiter als Hirngespinste, die auf einem Funken Wahrheit beruhten. Aber dieser Funke sei schon vor Hunderten von Jahren erloschen. D’Ambrizzi habe Badell-Fowler als alten Trottel bezeichnet, den sowieso nie jemand ernst genommen habe. Der Kardinal habe all ihre Theorien zurückgewiesen, was den Mord an den fünf Männern betraf, die Vernichtung von Badell-Fowlers Unterlagen – das alles sei geschehen, gewiß, aber es sei nichts Geheimnisvolles daran. Reine Unglücksfälle. Keine Verbindungen zueinander. Keine mysteriösen Hintergründe. Keine Assassini. Und von einem Mann namens Erich Kessler habe D’Ambrizzi noch nie etwas gehört.
Dunn seufzte, schob seinen leeren Teller zur Seite und tupfte sich mit der Serviette die Mundwinkel ab. »Tut mir sehr leid, das alles zu hören. Tut mir wirklich sehr leid. Aber Sie persönlich respektiert er doch? Er nimmt Sie doch ernst, oder?«
Sie nickte. »Er nimmt mich ernst. Und wenn nicht – Val hat er auf jeden Fall ernst genommen. Und er weiß, daß ich Vals Vorgaben folge, was meine Nachforschungen betrifft.«
»Vielleicht hat er nur versucht, Sie davor zu bewahren, ermordet zu werden«, sagte ich.
Sie zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht. Vielleicht, aber das war bestimmt nicht der einzige Grund. Ich kenne ihn. Ich glaube, er würde mir die Wahrheit sagen und erst dann versuchen, mich davon zu überzeugen, daß es besser ist, die Finger von der Sache zu lassen. Er würde mich niemals belügen. Er
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