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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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Elizabeth dazu gesagt? Ich wollte es ihr erzählen, konnte aber nicht.
    Also stand ich im Schlamm, ohne Gummistiefel natürlich, und blickte etwa hundert Meter durch Nebel und Dunkelheit eine sehr schlechte Straße hinunter auf die Umrisse eines großen, unregelmäßig angelegten Gebäudes. Wir waren einunddreißig Kilometer von Avignon entfernt, und es fing wieder an zu regnen. Meine Schuhe versanken im Schlamm. Aber ich hätte eine noch viel schlechtere Strecke in Kauf genommen, um mit Erich Kessler reden zu können.
    Dunn hatte mir am Telefon ein bißchen mehr über diesen Mann erzählt, unter anderem, daß er darauf bestand, ausschließlich mit seinem neuen Namen angeredet zu werden: Ambrose Calder. Er war, alles in allem, noch in guter Verfassung und in den vergangenen Jahren aktiver gewesen, als Dunn es erwartet hatte. Seit längerer Zeit beschäftigte er einen geheimen Agentenring, dessen Mitglieder gewissermaßen seine Angestellten waren und deren Bezahlung er über Konten abwickelte, die er während seiner Zeit bei der CIA auf die Namen von Strohmännern hatte eintragen lassen. Seine Agenten arbeiteten vor allem in den dunkleren, verborgeneren, beengteren Winkeln Europas. Bis zu einem gewissen Maß sorgte Kessler dafür, daß seine früheren Arbeitgeber und Gegner wußten, daß er bestimmte geheimdienstliche Aktivitäten betrieb, doch er ließ sie über Einzelheiten im unklaren, und eben dieses Nichtwissen, diese Unsicherheit machte Kesslers Gegenspieler vorsichtig, hielt sie davon ab, allzu genaue Nachforschungen anzustellen. Und von Zeit zu Zeit statteten ihm geheime Abgesandte aus Langley oder dem Vatikan einen Besuch ab, um ein ernstes Gespräch mit ihm zu führen, aber er wußte, sie alle wußten, daß Calder absolut sicher war. Sie hielten ihm einerseits eine Strafpredigt, und sie ersuchten ihn andererseits um bestimmte Informationen. Seine Existenz wurde wie ein düsteres Geheimnis gewahrt, von dem niemand etwas zu wissen brauchte. Vor allem war es einfach zu gefährlich, Ambrose Calder zu beseitigen. Er konnte sogar noch aus dem Grab vernichtend zurückschlagen. Ich fragte mich: Hatte Elizabeth mit ihrer Bemerkung recht gehabt, was Kessler/Calders mögliche dritte Identität betraf? Archduke?
    Niemand wußte mit Sicherheit, was er in bestimmten Schließfächern auf Zürcher Banken deponiert hatte, aber ebensowenig wollte irgendjemand das Risiko eingehen, Calder zu töten, um dieses Geheimnis zu lüften, denn der Schuß konnte sehr leicht nach hinten losgehen. Aus all diesen Gründen konnte Calder sich in völliger Sicherheit wiegen. Denn einige der mächtigsten Geheimdienste der Welt garantierten ihm praktisch, daß er eines Tages friedlich in seinem Bett sterben konnte.
    Allenfalls ein Überläufer würde ihn töten – und dabei riskieren, daß höchst brisante Informationen publik wurden. Aber warum stand er dann auf Vals Liste?
    Ich ging zum Wagen zurück und klopfte gegen die Windschutzscheibe.
    »Machen wir uns auf den Weg«, sagte ich. »Da vorne ist es.«
    Ambrose Calder war ein großer schlanker, kräftiger Mann mit faltigem Gesicht und Hals, sehnigen, riesigen Händen und einem grauen, stoppeligen Dreitagebart und Augenbrauen, die aussahen wie Stahlwolle. Es war das Gesicht eines Mannes, der sich oft im Freien aufhielt, was bei ihm sicher auf die Notwendigkeit zurückzuführen war, sich um seine Hundemeute zu kümmern: ein von Wind und Wetter gerötetes Gesicht mit hohen, ausgeprägten Wangenknochen. Einer der Haushunde beäugte ihn mit schiefgelegtem Kopf, als wollte er sein Herrchen fragen, ob er wegen des Eindringens der drei Fremden knurren und bellen sollte oder nicht. Das Kläffen der anderen Hunde draußen war verstummt; nur noch gelegentliches Jaulen und Winseln waren zu vernehmen. Calder trank seinen Sliwowitz wie Wasser, als wollte er irgendwelchen Kummer ersäufen.
    »Also«, sagte er, »Sie sind zu mir gekommen, um herauszufinden, ob ich weiß, wer Ihre Katholiken ermordet.«
    »Wir möchten noch einiges mehr wissen«, sagte Elizabeth.
    »Ja, ja«, sagte er und wischte ihre Bemerkung mit einer unwilligen Handbewegung beiseite. »Sie wollen wissen warum. Und Sie wollen wissen, wer Simon war. Father Dunn hat mir das alles schon deutlich genug erklärt. Was für ein neugieriger Verein ihr doch seid, kann ich da nur sagen! Und unverschämt! Warum sollte ich Ihnen irgend etwas darüber erzählen? Wo sind die Daumenschrauben und die Elektroden? Schon gut, schon gut. Ich werde Ihnen

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