Assassini
stinkenden Brühe fest – aber ich will den Kerl, der meine Schwester ermordet hat. Er heißt Horstmann, und ich …« Ich hob die Hände und stand auf. Der Hund war offenbar zu der Einsicht gelangt, daß man mich – obwohl ich überreizt war – im wesentlichen akzeptieren konnte. Er kam zu mir herüber und stubste seine feuchte, kalte Nase in meine Handfläche. »Na, wie geht’s, Foster?« murmelte ich.
Ambrose Calder beobachtete mich durch dichte Tabakswolken. Er trug eine Smokingjacke. Sein Rollstuhl war ein altmodisches Modell mit Rückenlehne und Seitenverkleidungen aus Bastgeflecht. Er wurde von einem jungen Mann geschoben, der wie ein Vernehmungsbeamter der Staatssicherheitsbehörde aussah. Nachdem Calder sich die Zigarre angezündet hatte, war der junge Bursche lautlos verschwunden.
»Ich verstehe, Mister Driskill. An Ihrer Stelle würde ich genauso empfinden, nehme ich an. Aber Tatsache ist, daß Sie die Konsequenzen tragen müssen, wenn Sie den Mörder Ihrer Schwester suchen. Sie haben das Wesen der Kirche aufgedeckt, um Ihr Bild zu zitieren. Sie stehen bis zu den Knien in der Scheiße. Man kann es auch auf andere Weise umschreiben – es ist wie ein Flaschengeist. Sobald er aus der Flasche raus ist, bekommt man ihn nie wieder hinein. Und erst wenn Sie sich durch diesen Sumpf hindurchgearbeitet haben, sofern Sie es schaffen, erst dann werden Sie vielleicht Ihr eigentliches Ziel erreichen … wer weiß?« Er trank einen Schluck Sliwowitz. »Jetzt aber gibt es kein Zurück mehr für Sie. Sie stehen auf einem Drahtseil über einem gähnenden Abgrund, Mister Driskill. Aber ich bin sicher, daß Ihnen das alles bereits klar geworden ist. Es kommt jetzt darauf an, daß Sie nicht das Gleichgewicht verlieren.«
»Darum bin ich hier«, sagte ich.
Calder lachte auf, wandte sich an Father Dunn und begann mit ihm über die Kriegsjahre zu reden, ganz zwanglos, als wären Elizabeth und ich für den Augenblick vergessen.
Das Haus war riesig, seltsam verschachtelt; eine Art exzentrischer, verrückter Prachtbau, sehr alt und von Fichten umstanden. Die Zentralheizung war so niedrig eingestellt, daß sie das große Zimmer, in dem wir saßen, nicht erwärmen konnte, doch das Feuer im prunkvoll verzierten Kamin vertrieb allmählich die Kälte aus meinen Gliedern. Auf dem Tisch standen ein Kästchen mit Davidoff-Zigarren, eine uralte, staubige Flasche Cognac, schwere, kristallene Schwenker und große, geschliffene Aschenbecher. Calder nahm eine weitere von den riesigen Zigarren, knipste das Ende ab, schob einen der Ascher zu mir hinüber, reichte mir die Zigarre und sagte: »Bitte sehr. Nur rauchen müssen Sie sie schon selbst. Also, kommen wir jetzt auf unseren Freund Simon Verginius zu sprechen.«
Kabalevskys Cellokonzert drang leise und romantisch aus überdimensionalen Lautsprechern, als wir endlich zur Sache kamen.
Elizabeth schilderte zuerst, wie sie Vals Aktenmappe mit den Namen der fünf Mordopfer gefunden hatte. Calder hörte aufmerksam zu, die Zigarre fest in den Mundwinkel geklemmt. Er füllte sein Glas Sliwowitz nach, leckte sich über die Lippen.
»Claude Gilbert«, sagte sie. »Sebastien Arroyo. Hans Ludwig Müller. Pryce Badell-Fowler. Geoffrey Strachan. Sie alle sind in den letzten zwei Jahren ermordet worden. Sie alle waren Katholiken mit engen Bindungen zur Kirche. Einflußreiche, bedeutende Männer. Sie alle waren während des Krieges oder nach dem Krieg in Paris. Aber – was hatten sie gemeinsam? Und warum mußten sie sterben … warum hat man sie ermorden müssen? Und warum vor so vergleichsweise kurzer Zeit?«
»Zunächst einmal handelt es sich hier um eine Liste mit vier Namen sowie einem weiteren, den man mit den anderen nicht in Verbindung bringen kann -jedenfalls nicht auf die gleiche Weise, wie die anderen vier in Zusammenhang stehen. Badell-Fowler wurde vermutlich aufgrund seiner Arbeit ermordet, seiner Studien über die Assassini, wie Sie ja selbst herausgefunden haben. Er wußte von den Assassini, und deshalb mußte er sterben.« Calders Stimme war sehr präzise und sachlich geworden. Er bewegte sich jetzt auf seinem ureigensten Gebiet und kannte jeden Fußbreit Boden. »Die vier anderen – ich habe fast die Befürchtung, Sie haben die Sache falsch verstanden, was diese Männer betrifft. Ja, es gibt Verbindungen, nur sehen sie anders aus, als Sie annehmen, Schwester. Sie waren Katholiken, ja, aber Katholiken, die entscheidende Unterschiede persönlicher Natur aufwiesen. Der
Weitere Kostenlose Bücher