Assassini
des nicht enden wollenden Gewitterdonners eines Feuerwerks, das oben auf den Höhen des Palastes gezündet wurde. Erst jetzt fiel mir ein, daß ich die Ankündigung auf dieses son et lumiere- Spektakel schon vorher auf Handzetteln und Plakaten gesehen hatte. Der Himmel zuckte und bebte jetzt unaufhörlich in Gold, Grün, Silber, Rot, Orange, begleitet von einem pausenlosen, ohrenbetäubenden Geschützdonner.
Ich wußte nicht, wo der kleine Mann sich befand, aber ich fürchtete mich vor ihm, als wäre er ein riesiger, bissiger Hund, der mich unaufhörlich durch enge, unbekannte, verwinkelte Straßen jagte. Als ich aus meiner kleinen, dunklen Höhle spähte, sah ich schon wieder eine Gruppe penitents noirs, die sich vor einer kleinen Kirche drängten, die sich auf der anderen Seite eines kleinen Platzes erhob, in dessen Mitte ein Springbrunnen plätscherte. Kinder in gefütterten Jacken starrten, wie auch die vermummten Mönche, in die Richtung, in der sich der laute, grelle Feuerzauber am Himmel abspielte.
Der kleine Platz war von Menschen übersät. Heute abend war in Avignon jeder auf den Straßen unterwegs, um die Geräusche und Gerüche des Festes in sich aufzunehmen, um sich das Feuerwerk anzuschauen, die zahllosen Aufführungen der Schauspieltruppen oder die Gaukler.
Ich konnte weder den kleinen Mann sehen noch die Feder auf seinem Hut. Ich begann, nach Schwester Elizabeth Ausschau zu halten, und fragte mich, wohin sie gegangen sein mochte. Ich kämpfte gegen die Panik an, die ich in Irland kennen und fürchten gelernt hatte, gegen den Anblick von Bruder Leos winkendem, lockendem Arm.
Ich trat aus dem Hauseingang und ging über den Platz zu der kleinen Kirche hinüber. Sie wirkte traurig und verlassen, dunkel; sie konnte mit den maskierten Schauspielern und der Artillerie, die von den Höhen des Palastes abgefeuert wurde, nicht mithalten.
Ich bewegte mich langsam und möglichst unauffällig durch die faszinierten Zuschauer, tastete mich von Schatten zu Schatten, stieg die wenigen Stufen zur kleinen Kirche hinauf und zog die schwere Holztür mit den eisernen Beschlägen gerade so weit auf, daß ich hindurchgleiten und ins Innere der Kirche gelangen konnte, wo ich schwitzend und keuchend in der Dunkelheit verharrte und die Tür leise hinter mir schloß. Von innen erschien die Kirche größer als von außen, und die Luft war vollkommen unbewegt, gleichzeitig kalt und stickig, trocken und feucht, durchdrungen vom Geruch nach Kerzentalg und Weihrauch. Einige Kerzen brannten; ruhig, friedlich, winzig, und der Widerhall der Explosionen schien die steinernen Wände ganz sanft zu streicheln. Ich tastete mich an einer Wand entlang in Richtung Altar. Die Säulen waren, wie ich im schwachen Licht der Kerzen erkannte, ausladend und wuchtig, die Oberfläche zerfurcht und rissig. Schließlich nahm ich auf einem Stuhl Platz, von denen Hunderte in mehreren Reihen hintereinander auf dem glatten Steinfußboden standen. Ich atmete tief durch. Verdammt. Wieder stellte ich mir die alte Frage: Bist du Jäger oder Gejagter? Zumindest heute abend war die Antwort leicht.
Ich wußte nicht mehr, was ich tun sollte. Ich war erschöpft, naßgeschwitzt. Am Ende. Ich hatte ein Gefühl, als hätte ich soeben die Schlacht aufgegeben. Die Spielzeugwaffe in meiner Manteltasche prallte dumpf gegen den Stuhl neben mir. In der Stille hörte es sich an, als wäre eine der Säulen umgestürzt. Alles glitt mir aus den Händen; ich verstand weniger als je zuvor. In was war ich eigentlich hineingeraten? Wer jagte wen? Wer würde den Sieg davontragen? Nein, diese letzte Frage sollte ich mir lieber nicht stellen.
Ich konnte mir vor allem auf das plötzliche Erscheinen von Summerhays keinen Reim machen; jedenfalls genügte die Tatsache, daß er mit dem kleinen Mann bekannt zu sein schien, dessen Kehle aussah, als wäre sie unter einen Rasenmäher geraten, um mein Mißtrauen Summerhays gegenüber aufflammen zu lassen -väterlicher Freund oder nicht. Das reichte, um in mir den Gedanken an eine verborgene, geheime Welt aufkeimen zu lassen, an einen scheußlichen Versammlungsort von Totenbeschwörern, die intrigierten, mordeten … Was hatte Summerhays vor? Er verfolgte immer irgendwelche Ziele, warum nicht auch jetzt? Ein Papst lag im Sterben, das große Spiel stand bald bevor …
Mir schien fast, als könnte ich beobachten, wie die Fäden einer Geschichte zusammengezogen wurden, die so alt war wie die Zeit, und die sich zu einem Netz verdichteten, in
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