Assassini
Industriemagnat aus Madrid, Yachtbesitzer, bedeutender Mann in der Kirchenwelt – Arroyo. Aber wußten Sie, daß er ein enger Vertrauter von Generalissimo Francisco Franco gewesen ist? O ja, sie waren dicke Freunde, die beiden. Arroyo hat den Generalissimo auf vielen Gebieten beraten.
Müller, der Deutsche. Gelehrter. Hat während des Krieges in Diensten des Dritten Reiches gestanden – in der Abwehr. Ich habe ihn ziemlich gut gekannt. Aber er war einer von den Furchtsamen – drehte seine Fahne immer nach dem Wind. Eine Zeitlang hieß es, er sei an einer Verschwörung gegen Hitler beteiligt gewesen. Jedenfalls ist es ihm erspart geblieben, von der Gestapo an einem Fleischerhaken aufgehängt zu werden. Er hat den Krieg überlebt und seine Karriere als Herr Professor Doktor wieder aufgenommen. Er war Katholik, ja, natürlich. Hat später einen schweren Schlaganfall erlitten. Aber das Interessanteste an der Verschwörung gegen Hitler war die Tatsache, daß Müller ein Spitzel gewesen ist! Jawohl, ein Spitzel der Gestapo inmitten der wirklichen Verschwörer. Er war ein sehr bereitwilliger freier Mitarbeiter, ein Abwehr-Mann, der an einer Säuberungsaktion der Gestapo teilgenommen hat. Er hat die Verschwörung natürlich auffliegen lassen, hat die Beteiligten verraten, das war ja sein Job, und er hat einen Orden dafür bekommen. Einige Zeit darauf wurde ich sein Vorgesetzter. Ich wußte von der ganze Geschichte. Müller hat später einige Zeit im von den Deutschen besetzten Paris verbracht.
Weiter … Claude Gilbert, der bretonische Priester. Seine braven Gemeindemitglieder hätten ihn kurz nach der Landung der Alliierten an der Küste der Normandie beinahe umgebracht. Er war kein Kämpfer, das war sein Problem. Hat sich gedacht, es wäre besser, sich den Jungs anzuschließen, die das Sagen hatten. Doch als die Boches die Hucke vollgekriegt hatten und getürmt waren, haben einige von Gilberts bretonischen Landsleuten seine Aktivitäten während des Krieges in einem ziemlich düsteren Licht betrachtet. Kollaborateur haben sie ihn genannt. Und einige wollten ihm mit Bootshaken und Hackmessern an den Kragen gehen. Aber er hatte einen Schutzengel. Ein paar Bauern haben ihn geteert und gefedert und ihn mit einem Arschtritt davongejagt. Er hat sich ein Jahr in Rom erholt. Als er wieder einigermaßen auf dem Damm war und eine etwas ruhigere Gemeinde zugeteilt bekommen hatte, hat er sich der Schriftstellerei gewidmet und moralistisch angehauchte Bücher geschrieben, so was wie imaginäre Memoiren, die Tagebücher eines Landpriesters. Und das meiste von dem Geld, das er mit den Schmökern verdient hat, ist seinen Beschützern in die Taschen geflossen, der Legion Condor, der Spinne und ähnlichen Leuten. Den alten Nazis.
Und Geoffrey Strachan, der MI-5-Mann. Sir Geoffrey. Mit Ehrungen überhäuft, ist er in relativ jungen Jahren aufs Abstellgleis geschoben und eiligst auf sein Familienschloß in Schottland geschickt worden. Über seine letzten dreißig Lebensjahre ist kaum etwas bekannt. Warum dieser plötzliche Rückzug, haben manche sich gefragt. Tja, es hatte da ein kleines Problem gegeben, das man unter den abgetretenen Teppich gekehrt hat. Strachan war vor dem Krieg in Berlin gewesen und kam dann zurück nach London, um Premierminister Chamberlain zu beraten. Er hat ihn nach München begleitet. Das Problem war nur: Strachan war Agent des Dritten Reiches, besaß sehr enge Kontakte sowohl zu Dönitz als auch zu Canaris. Er ging häufig mit Göring auf Wildschweinjagd. Die Engländer kamen Strachan schon ’41 auf die Schliche, spannten ihn für ihre eigenen Zwecke ein, hielten die ganze Geschichte streng geheim und haben den Mann schließlich ohne Prozeß, ohne den Hauch eines Skandals, ohne Aufsehen in den Ruhestand geschickt. Die Sache ist nie wieder aufgerollt worden, denn in den fünfziger Jahren war man zu sehr mit den sowjetischen Spionen beschäftigt, da war ein alter Nazi allenfalls nur noch ein Kuriosum, wissen Sie.«
Die Asche seiner Zigarre war inzwischen fünf Zentimeter lang, und er betrachtete sie liebevoll, als würde er sich nur widerwillig davon trennen. Er rollte sie langsam bis zur Einkerbung des Aschenbechers, stippte sie ab und schob sich die Zigarre wieder in den Mundwinkel.
»Also«, sagte er. »Begreifen Sie allmählich? Versuchen sie sich klarzumachen, was für eine komplizierte Welt das ist. Diese Männer waren nicht bloß bedeutende Katholiken und kirchliche Gönner, sie waren Teil einer
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