Assassini
der Mann gewesen ist. Der Vatikan hatte damals einige … na ja, Vollstreckungsbeamte, könnte man sagen, die genau wußten, was zu tun war. Er war einer von diesen rauhen Burschen, nehme ich an … Vermutlich ist er tot, wenn man alles in Betracht zieht. Auch Archduke dürfte inzwischen tot sein. Aber mit Sicherheit wissen wir nur eins: Simon lebt noch.«
Er hob ruckartig den Kopf, als wäre ihm plötzlich ein Gedanke gekommen. »Sollte auch Archduke noch leben, dann steckt er vielleicht hinter D’Ambrizzis Plan, Papst zu werden. Vielleicht zieht der alte Archduke noch immer seine Fäden. Oder … oder man könnte es auch auf andere Weise betrachten: Archduke kennt die Wahrheit über Simon, seine Identität. Vielleicht muß Archduke als nächster sterben … und vielleicht weiß er das und ist darauf vorbereitet.«
Der Gedanke schien ihn zu amüsieren.
Ich kutschierte uns drei zurück nach Avignon. Es war vier Uhr morgens, als wir das Hotel erreichten. Die Straßen waren leer bis auf ein paar Straßenfeger, die den Unrat zusammenkehrten, den die Feierlichkeiten des vergangenen Abends hinterlassen hatten.
Schwester Elizabeth sagte kaum ein Wort. Sie schien tief bedrückt zu sein, als wären so viele schlechte Nachrichten auf sie eingestürmt, daß sie nicht damit fertig werden konnte. Sicher, die Enthüllungen über D’Ambrizzi hatten sie schwer getroffen. In aller Stille mußte sie ihre Welt ordnen: die Kirche.
Father Dunn fragte mich, ob ich einen Schlummertrunk mit ihm nehmen wolle. Er zog einen silbernen Flachmann aus der Jackentasche und wies mit dem Kopf auf einen Tisch in einer Ecke der Lobby. Eine Tischlampe verbreitete trübes, bernsteinfarbenes Licht, und draußen schwankte eine Straßenlaterne leicht im Wind. Er nahm einen Schluck aus dem Flachmann, reichte ihn dann mir, und ich spürte, wie der Brandy in meiner Kehle brannte. In meinem Magen explodierte er wie eine Bombe. Von einem Augenblick zum anderen fühlte ich mich benommen.
Ich erzählte ihm, daß ich Summerhays in der Menschenmenge entdeckt hatte. Dunn runzelte die Stirn, blickte mich verdutzt an.
»Was wissen Sie über Summerhays, Ben?«
»Eine ganze Menge … warum schauen Sie so?«
»Ich habe nur nachgedacht. Er ist wie eine ältere Ausgabe von Lockhardt, nicht wahr?« Beiläufig, als wäre er gar nicht recht bei der Sache, sagte er: »Ich frage mich, was er während des Krieges getan hat.«
»Welchen Krieg meinen Sie? Den Bürgerkrieg? Den Spanisch-Amerikanischen Krieg?«
»Ja, mein Sohn, er ist alt.« Seine Miene war mürrisch und nachsichtig zugleich. »Ihre Witze mögen vielleicht wohlbehütete Nonnen erheitern, aber nicht kultivierte alte Kleriker.«
»Warum machen wir uns nicht auf die Suche nach einem kultivierten alten Kleriker und fragen ihn, Artie? Ich habe in letzter Zeit nicht viel zu lachen.«
»Oh, wie schade für Sie. Dem müssen wir eines Tages Abhilfe schaffen. Aber ich hatte mit meiner Bemerkung vorhin eigentlich mehr auf den Zweiten Weltkrieg abgezielt.«
»Jetzt denken Sie, was auch ich denke. Ja, wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, war Drew Summerhays – ich weiß nicht recht, es war ziemlich seltsam; man kann das nicht so richtig einordnen. Er war jedenfalls einer von Wild Bill Donovans Rittern der Tafelrunde, wissen Sie. Katholik. Yale-Absolvent. Wie geboren für die OSS. Aber er war mehr Stratege denn aktiver Agent. Wissen Sie, ich bin mir da nicht so ganz sicher. Er hat ein Leben voller Geheimnisse geführt; bei ihm weiß man immer, daß man nur die Spitze eines Eisberges sieht. Aber er war während des Krieges in London. Mein Dad hat hin und wieder mal eine Bemerkung über ihn fallen lassen … Summerhays hat OSS-Mitarbeiter ins besetzte Europa eingeschleust. Auch nach Deutschland. Er war der Vorgesetzte meines Vaters, da bin ich sicher. Vielleicht war sogar er derjenige, der meinen Vater dazu gebracht hat, in die OSS einzutreten.« Ich wartete, bis Dunn das alles in sich aufgenommen hatte. »Er hat Pius gekannt. Vielleicht kannte er auch Bischof Torricelli. Er hat seit langer Zeit die Finger im Spiel – Artie, ganz ehrlich, er hat immer noch die Finger im Spiel, und Sie wissen verdammt genau, daß sein Deckname …«
»… Archduke war«, sagte Father Dunn.
»Er ist der einzig logische Kandidat«, sagte ich. »Es sei denn, Kessler wollte sich uns vom Leibe halten und hat gelogen. In diesem Falle ist Kessler Archduke. Dann sitzt er in seinem Rollstuhl wie eine fette Spinne in ihrem Netz
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