Assassini
Torricelli, LeBecq, Richter, Bruder Leo und August Horstmann und noch viele andere. Simon kannte jeden, aber nur eine erlesene kleine Schar Auserwählter hat gewußt, wer der legendäre Simon war. Jener Simon, von dem D’Ambrizzi behauptet, daß sich unter diesem Decknamen mehrere Männer verborgen haben.«
Ich griff in die Innentasche meiner Jacke, zog einen Umschlag hervor und legte ihn auf den Tisch, was Calders Aufmerksamkeit erregte. »Sie haben mir eine Gage mitgebracht!« rief er aus. »Sehr gut, Mister Driskill. Ich bin früher als Laiendarsteller aufgetreten. Ist lange her. Während meiner Zeit in der Armee. Ich habe schon immer gesagt, daß ein Schauspieler nur so gut ist wie seine Gage. Wieviel ist in dem Umschlag?«
Ich seufzte, öffnete den Umschlag und zog das alte Foto heraus, mit dessen Entdeckung meine Suche begonnen hatte. Ich glättete es mit der Handkante auf der Tischplatte und schob es dann zu Calder hinüber. Er nahm es auf und betrachtete dieses eselsohrige, zerknitterte Relikt aus einer anderen Zeit, einer anderen Welt.
»Meine Schwester wußte, daß sie in schrecklicher Gefahr schwebte«, sagte ich. »Das ist der einzige Hinweis, den sie mir hinterlassen hat.«
»Mehr nicht?«
»So ist es.«
»Sie hatte viel Vertrauen zu Ihnen, Mister Driskill.«
»Ich war ihr Bruder. Sie hat mich sehr gut gekannt. Sie wußte, daß ich sie geliebt habe. Sie wußte, daß schon dieses Foto mich dazu bringen würde, die Suche aufzunehmen …«
»Und bis jetzt ziemlich erfolgreich«, sagte er.
»Torricelli, Richter, LeBecq und D’Ambrizzi«, sagte ich, als würde ich eine Litanei herunterbeten. »Die ganze Zeit schon habe ich mich gefragt, wer dieses Foto wohl aufgenommen hat. Es war Simon, nicht wahr?«
Calders dichte graue Brauen hoben sich; er sah vom Foto auf und suchte meinen Blick, starrte mich an. Dann brach er plötzlich in schallendes Gelächter aus; ein herzhaftes Lachen, als hätte ich gerade einen besonders guten Witz gemacht. Ich blickte zu Father Dunn hinüber. Er zuckte die Achseln.
»Nein, nein.« Calder zwang sich, wieder ernst zu werden. Seine Augen tränten. »Nein, Mister Driskill. Eines kann ich Ihnen mit Sicherheit sagen: Dieses Foto hat Simon Verginius nicht aufgenommen.«
»Und was ist so verdammt lustig daran?«
Calder schüttelte den Kopf. »D’Ambrizzi hat die Geschichte Simons in seinen Memoiren erzählt, wie Sie mir gesagt haben, nicht wahr? In diesem ›Testament‹, das er in Amerika zurückgelassen hat. Das stimmt doch, oder? Ja. Aber er hat peinlich vermieden, die Identität Simons preiszugeben. Und Horstmann hat Bruder Leo getötet, bevor er Ihnen erzählen konnte, wer sich hinter dem Decknamen Simon Verginius verbirgt … Da liegt doch die Vermutung nahe, daß Simon, weil er ja noch lebt, Wert darauflegt, anonym zu bleiben. Denn er ist ein einzelner Mann.« Er lächelte breit. »Und Sie wissen wirklich nicht, wer Simon ist …?«
»So hören Sie doch endlich mit dem Quatsch auf«, sagte ich grob. »Wer ist er?«
» D’Ambrizzi natürlich! Simon ist der gute alte Saint Jack! Der gerissene alte Bastard! Sie müssen verstehen, D’Ambrizzi möchte der nächste Papst werden! Und er war Simon … er ist ein Mörder … er hat mit den Nazis kollaboriert … und nichts von all dem durfte jetzt oder später ans Tageslicht kommen, also mußte er wieder zum Mörder werden. Und wer bot sich für diese Dienste besser an als jener Mann, der schon damals D’Ambrizzis Mordaufträge erledigt hat?« Calder seufzte, und das Korbgeflecht der Rückenlehne des Rollstuhls ächzte unter dem Gewicht seines Körpers. »Ein Alptraum für einen Mann, der im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit steht, Mister Driskill, da werden Sie mir gewiß zustimmen«, fügte er hinzu und begann wieder zu lachen.
»Sie haben mir gesagt, daß es offenbar nicht die geringsten Fortschritte bei den Nachforschungen des Vatikans gibt, was die Mordfälle betrifft, Schwester«, sagte er dann zu Elizabeth. »Wie denn auch? Diese Nachforschungen sind ein schlechter Scherz! D’Ambrizzi behauptet, daß die Assassini schon immer nichts weiter als eine Legende gewesen sind und daß Simon Verginius nur eine Art Sagengestalt war – das ist doch ganz klar! Simon – oder nennen Sie ihn D’Ambrizzi – stellt schließlich Nachforschungen über sich selbst an. Es geht ihm einzig und allein darum, jede noch so kleine Spur zu verwischen. Der Papst liegt im Sterben – er kann bei diesen sogenannten Nachforschungen
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