Assassini
die Zigarre bis auf einen kurzen Stummel herunterbrannte.
»Priester sind alles andere als vollkommen«, sagte er. »Sie sind auch nur Männer. Wir müssen uns mit denselben Verlockungen herumschlagen wie die anderen. Wir müssen uns an gewisse Machtbefugnisse gewöhnen, und an die Einsamkeit. Auch uns führen die Frauen in Versuchung, der Alkohol, das Geld, sämtliche Begierden in all ihren Verkleidungen. Salvatore di Mona hat seiner Familie aus finanziellen Schwierigkeiten geholfen, als er Kardinal wurde, und als er Papst Calixtus geworden war, hat er ihr gewisse … Vorteile verschafft. Es ist alles andere als erheiternd, wenn man weiß, wie viele Männer die Bischofs- oder Kardinalswürde aus Gründen anstreben, die mit Religion rein gar nichts zu tun haben. Im Kardinalskolleg sitzen zahlreiche Alkoholiker, Schürzenjäger, Pleitegeier, Verräter – wie in jeder anderen Organisation, die sich aus Männern zusammensetzt, die starkem Druck ausgesetzt sind. Wir beide könnten eine ganze Reihe von Namen nennen …« Er zuckte die Achseln. »D’Ambrizzi ist nur einer davon.«
»D’Ambrizzi?«
»Wollen Sie etwa sagen, es hat Sie überrascht, was Kessler uns erzählt hat? Es paßt doch alles zusammen. D’Ambrizzi ist durch und durch weltlich. Ein wahrer Fürst der Kirche. Er ist mächtiger, als Sie auch nur ahnen können, glauben Sie mir. So mächtig wie Lockhardt oder Ihr Vater oder Summerhays, nur daß er von der anderen Seite des Zaunes aus arbeitet. Sie alle sind vom gleichen Schlag. D’Ambrizzi liebt nur eins aus vollem Herzen: das Intrigieren, das Manipulieren. Macht. Geld.«
»D’Ambrizzi«, sagte ich mehr zu mir selbst. War es wirklich möglich, daß er die Ermordung meiner Schwester befohlen, daß er seine alte, silberhaarige Waffe losgeschickt hatte, um Val zu töten, Lockhardt und Heffernan, Bruder Padraic und den armen Leo?
Wir verließen das Straßencafe. Ein feiner Nebeldunst lag in der Luft, und der Geruch nach Früchten und Blumen und Kochdünsten aus den Restaurants war überwältigend wie auf einem orientalischen Bazar.
Dunn zeigte mir die Kirche Santa Maria und sagte, sie sei die älteste Kirche Roms, weil zu den Zeiten, da das Römische Imperium noch fast die gesamte damals bekannte Welt beherrscht hatte, Trastevere ein Zentrum des jüdischen Lebens gewesen sei. Ein Treffpunkt für die immer größer werdende Anhängerschaft Christi sei erforderlich geworden, und ein anderer Papst Calixtus, der erste dieses Namens, hatte ihn hier gefunden. Ich folgte Dunn um eine Straßenecke und auf die winzige Piazza di San Callisto, die durch den Palazzo di San Callisto unmittelbar mit der Kirche Santa Maria verbunden war. Dunn sagte mir, der Palazzo sei Eigentum des Vatikans.
»Hat der Heilige Vater sich nach dem ersten Calixtus benannt?«
»Wenn er das getan haben sollte, war es eine unglückliche Namenswahl.« Father Dunn führte mich über den Platz und blieb vor dem Palazzo stehen. »Wo heute dieser Palast steht, befand sich einst das Gebäude, in dem der arme Calixtus am Ende seiner Laufbahn eingekerkert und gefoltert wurde. Man hat ihn schließlich aus einem Fenster geworfen, in einen Brunnen auf dem Hof. Das alles ist lange, lange her. Ich glaube, es war im Jahre 222.«
Wir standen auf einer Brücke und blickten auf den Tiber hinunter. Der Nebel hatte sich inzwischen zu Nieselregen verdichtet. Dunn redete über D’Ambrizzi und Simon.
»Während des Krieges war er wirklich in seinem Element«, sagte er. »D’Ambrizzi war genau der richtige Mann, um in einer Krisensituation eingesetzt zu werden. Er war von einem Unternehmen darauf vorbereitet worden, dem es ums Geschäft ging: der Kirche. Und man war sich offenbar sicher, daß er seinen Auftrag erfüllte. Aber irgendwie glaube ich jetzt nicht mehr so recht daran, daß er mit Simon identisch ist. Das paßt einfach nicht zu ihm. Ich weiß nicht, Ben.« Er starrte hinunter in die schwarzen Fluten des Tiber. In weiter Ferne donnerte es. Dunn klopfte mir auf die Schulter.
»Kommen Sie«, sagte er. »Ich möchte Ihnen noch etwas zeigen.«
Zehn Minuten später befanden wir uns vor einem schäbigen Gebäude. Zur Hälfte war es Lagerhalle, zum anderen Lebensmittelgroßhandlung mit angeschlossenem Restaurant. Es war inzwischen dunkel geworden, und der Wind, der vom Tiber herüberstrich, war kalt. Dunn erklärte: »Auch dieses Gebäude gehört der Kirche. Der ganze Häuserblock, um genauer zu sein. Das ristorante ist gar nicht mal so übel. Der
Weitere Kostenlose Bücher