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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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sich von den Gezeiten tragen. Wenn erst die Flut kommt, wird man Gott weiß wohin gespült.‹ Das sagt wohl alles, fürchte ich.«
    »Lord Byron kann mir gestohlen bleiben«, sagte ich. »Sie ist Nonne, und ich bin ein Schwachkopf. Da liegt das Problem.«
    »Quatsch. Blödsinn. Unsere Schwester Elizabeth ist eine moderne Frau. Sie hat nur zufällig einen Beruf gewählt, der bestimmte ungewöhnliche Anforderungen stellt. Alles andere können Sie getrost vergessen. Die Kirche von heute ist nicht mehr die Kirche Ihrer Kindheit. Nicht einmal mehr die Kirche Ihrer Zeit bei den Jesuiten. Alles hat sich verändert. So sehr, daß man es kaum noch wiedererkennt.«
    »Bei ihr ist der Beruf Berufung«, bemerkte ich hartnäckig.
    »Mein lieber Freund«, sagte Dunn kühl, »wir reden hier über eine gebildete, niveauvolle, kultivierte Frau – nicht über die Tochter ungebildeter Bauerntrampel, nicht über eine unbelesene Hinterwäldlerin, die Jesus in einem Baum hat sitzen sehen und sich daraufhin entschlossen hat, ihm ihr Leben zu widmen und seine Braut zu werden. Sie hat die übliche Sollstärke an Zweifeln, wahrscheinlich nicht nur, was ihre religiöse Einstellung betrifft, sondern auch ihre Lebensführung als solche und die Fähigkeit und den Spielraum, eigenständige Entscheidungen zu fällen.« Er betrachtete mich mit einem nachsichtigen Lächeln. »Sie ist eine ausgesprochen modern eingestellte Frau, und das bedeutet nichts anderes, als daß sie verwirrt, schwankend, desorientiert ist – und ein bißchen schwierig zu nehmen. Das alles würde auch dann auf sie zutreffen, wäre sie Geschäftsfrau, Professorin oder Hausfrau – nur ist sie eben Nonne, und das ist ein kleiner Unterschied. Ein kleiner Unterschied, wohlgemerkt, nicht so groß, wie er früher einmal war. Sie ist keine hysterische Ziege, die Gottes Stimme vernimmt. Du liebe Güte, diese Sorte Frau tritt nicht in diesen Orden ein. Solche Frauen gehen ins Kloster, in die Abgeschlossenheit. Der Orden hat sich auf Aktivistinnen spezialisiert. Die Asse. So sieht’s aus, Driskill, und ich brauche Ihnen das alles wirklich nicht zu sagen – Sie sind schließlich ein cleverer Bursche.«
    Er zündete sich eine Zigarre an, was ein Weile dauerte, und ich versuchte das, was er über Elizabeth gesagt hatte, in das Bild einzufügen, das ich mir von ihr gemacht hatte.
    »Die Frauen, die sich vom Orden angezogen fühlen … tja, im Orden weiß man, daß sie nicht alle Nonnen bleiben werden. Das Spiel wird nach neuen Regeln gespielt. Und Schwester Elizabeth sieht sich allen Herausforderungen der heutigen Zeit ausgesetzt. Sie macht sich Gedanken über die Liebe, Männer, Kinder, ihr Versprechen gegenüber Gott und der Kirche, ihr Gelübde, über die Angst vor der eigenen Schwäche und Verletzlichkeit, über die Möglichkeit, vor sich selbst und in den Augen der Kirche zu versagen. Herrgott, Ben, Sie haben vieles von dem doch selbst durchgemacht. Denken Sie zurück. Und machen Sie sich klar, mein Junge – heutzutage ist es nicht leicht, eine Frau zu sein. Sie sind ein halbwegs intelligenter Bursche, Sie sollten die richtigen Schlüsse daraus ziehen können.« Er rauchte, betrachtete mich wie ein Lehrer, der einem Schüler eine Frage gestellt hat und nun auf die Antwort wartet.
    »Wie sind Sie eigentlich zu einem solchen Fachmann geworden, was Frauen betrifft, wenn ich mal fragen darf? Das ist ja fast so, als würde eine Nonne die Leute über Verhütungsmittel und Ehe und Abtreibung aufklären. Oder wissen Sie vielleicht gar nicht, was Sie da von sich geben?«
    »Soll ich Ihnen eine Geschichte erzählen? Ja. Ich werde Ihnen eine Geschichte über Priester und Frauen erzählen. Wir müssen ein paar Spinnweben aus Ihrem armen alten Hirn fegen, mein Freund.« Dunn blies einen perfekten Rauchring aus und stieß die Zigarre durch das dahinschwebende Loch. »Trinken Sie lieber noch einen kräftigen Schluck Wein.«
    Er erzählte mir eine außergewöhnlich ergreifende Geschichte über eine Liebesaffäre, die er kurz nach dem Krieg mit einer verheirateten Französin in Paris gehabt hatte. Er hatte diese Frau geliebt und sie ihn, und die Frau hatte eine Tochter gehabt, die ihm sehr viel bedeutete. Doch dann nahm alles ein sehr trauriges Ende. Die beiden Frauen kamen auf tragische Weise ums Leben, und Father Dunn durchlitt höllische Wochen und Monate.
    Das alles war lange her, und darum erzählte er die Geschichte mit ruhiger Stimme, während der Brunnen plätscherte und der Wein floß und

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