Assassini
möchte nicht, daß Sie zwischen die Mühlsteine geraten. Verstehen Sie?«
»Nein. Ich verstehe bis jetzt fast nichts und niemanden. Sie nicht, Driskill nicht, keinen von Ihnen. Aber ich kann nicht glauben, daß Kardinal D’Ambrizzi ein Mörder …«
»Sie müssen mir versprechen, sich herauszuhalten. Bitte!«
»Den Teufel werde ich tun! Wer gibt Ihnen eigentlich die Befugnis, mir das alles so plötzlich anzutragen? Und warum sind Sie wegen Kesslers Behauptung nicht an die Decke gegangen, um Himmels willen? Der Kardinal ist doch Ihr väterlicher Freund.«
»Also gut, also gut«, sagte Sandanato und machte übertrieben beschwichtigende Gesten, zwang sich mit äußerster Willenskraft zur Ruhe. »Ich bin deshalb nicht an die Decke gegangen, weil Kesslers Geschichte wahr sein könnte. Es ist möglich, daß D’Ambrizzi und Simon identisch waren. Ja.«
»Was sagen Sie da? Ist er Simon oder nicht? Das allein zählt doch. Pietro, Sie lieben diesen Mann, Sie stehen ihm näher als sonst jemand …«
»Es geht hier nicht um persönliche Beziehungen, Schwester. Inzwischen geht es um unendlich viel mehr, nämlich um die Zukunft der Kirche. Es geht um den Mann, der vielleicht bald der neue Papst ist. Aber nun stehen wir kurz davor, all dem ein Ende zu setzen. Die Morde, die Schwester Valentine in Verbindung gebracht hat, der Mord an ihr selbst, der Angriff auf Sie …«
»Wir? Wer ist wir! «
»Kardinal Indelicato und ich! Ja, Sie können mir ruhig glauben. Seine Eminenz und ich haben zusammengearbeitet, um endlich die Wahrheit ans Licht …«
»Sie und Indelicato? Mein Gott, er und D’Ambrizzi sind eingeschworene Todfeinde! Sie hassen sich. Was hat das alles zu bedeuten? Wann haben Sie sich auf Indelicatos Seite geschlagen? Warum, in Gottes Namen?« Die Gedanken wirbelten in ihrem Hirn. D’Ambrizzi und sein Schützling Sandanato waren für sie immer so etwas wie Orientierungspunkte in der von Wirren und Machtkämpfen geschüttelten Kirche gewesen. Was war geschehen?
»Seit … seit ich erkannt habe, daß D’Ambrizzi die Kirche vom rechten Weg zu führen droht. Seit ich bemerkt habe, daß er nichts unternimmt, um dem Wunsch des Heiligen Vaters nachzukommen und den Mörder Schwester Valentines ausfindig zu machen … den Mörder all der anderen Opfer. Im Gegenteil, D’Ambrizzi hat versucht, die Wahrheit zu verschleiern, die Spuren zu verwischen … Weil er – er selbst – für das alles verantwortlich ist. Kardinal Indelicato und ich, wir haben beide mit ansehen müssen, was für ein Spiel er mit dem Heiligen Vater treibt. Er kapselt ihn ab, er macht ihm Vorschriften, er täuscht ihn, weil er weiß, daß Calixtus nicht mehr die Kraft hat, die Kirche nach seinem eigenen Willen zu lenken. Wir haben D’Ambrizzis geheime Pläne aufgedeckt … und wir waren entsetzt!« Er blickte sie an; sein Gesicht verriet unsägliche Qual.
»Wie lange ist das her?«
»Das spielt keine Rolle, Schwester. Mir geht es jetzt erst einmal darum, daß Sie einsehen, wie schwer mir das alles gefallen ist. Sie wissen, daß er wie ein Vater für mich war … aber die Kirche steht an erster Stelle. Da stimmen Sie doch mit mir überein? Ich habe immer schon gewußt, daß ich Ihnen früher oder später die Wahrheit sagen muß. Darum habe ich vor einigen Tagen versucht, Ihnen deutlich zu machen, aus welchem Grunde die Kirche geläutert werden muß … und wie das Gute dem Bösen entspringen kann. Und die Zeit drängt, Schwester. Die Zeit drängt.« Das trübe Licht der Schreibtischlampe warf schwarze Schlagschatten auf Sandanatos Gesicht, ließ es wie gemeißelt erscheinen, betonte die hervortretenden Wangenknochen, die tiefen Augenhöhlen. Er war zu Tode erschöpft. Die Verkörperung der Seelenqual, ein Märtyrer, ein Mensch, der sein Leben für seine Kirche hingeben würde.
Elizabeth mühte sich verzweifelt, all das in sich aufzunehmen, was er gesagt hatte. Versuchte, die Welt ganz spontan neu zu ordnen. So lange war D’Ambrizzi für sie die einzige Gewißheit innerhalb der Kirche gewesen, die einzige feste Größe, das einzige unfehlbare Leuchtfeuer der Vernunft, des gesunden Menschenverstandes, der Anständigkeit: der Mann mit dem größten Überblick, der alles in die richtigen Relationen zu rücken vermochte. Saint Jack, der Mann, der Papst hätte werden sollen.
»Dann hatte Kessler also recht?« fragte sie leise. »Wollen Sie mir das zu verstehen geben? Dann war alles richtig, was Ben gesagt hat?«
»Ich habe keine Ahnung, was
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