Assassini
Kirche wurde in die Luft gejagt. Dunn war ein Verbrecher, D’Ambrizzi war ein Verbrecher, der Heilige Vater war D’Ambrizzis Gefangener … und alles nur, um Saint Jack den Weg zum Papstthron freizuräumen. Welch ein langer Weg! Vierzig Jahre, vom Assassini bis zum Papst.
Sandanato bat Elizabeth, mit ihm zu kommen; er wollte sie zum Ordenshaus bringen, in dem sie dann bleiben sollte, bis alles vorüber war. Aber sie wies diesen Vorschlag zurück. Er jedoch beharrte darauf, und wieder stiegen Wut und Enttäuschung in ihr auf, und sie reagierte ihre Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit an ihm ab. Das alles war verrückt, war schier unglaublich. Hinter alldem steckte also D’Ambrizzi, alles war seinem brillanten, verderbten Intellekt entsprungen. Der Papst war unheilbar krank; die Kirche würde in sogar noch höherem Maße verweltlicht werden, denn D’Ambrizzi war ein Könner auf diesem Gebiet, ein Experte.
Als Papst konnte er die Kirche der Zukunft in eine Weltmacht umfunktionieren. Aber es gab Männer und eine Frau – und später eine weitere Frau –, die zuviel über seine Vergangenheit wußten, denen bekannt war, was er mit den Nazis und den Assassini zu tun gehabt hatte … und darum hatte er begonnen, die Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Das alles war nicht schwer zu begreifen, wenn man es auf diese Art und Weise betrachtete, auf die richtige Art und Weise.
Sie schickte Sandanato fort. Er verließ nur höchst widerwillig ihr Büro und warnte sie noch einmal: Sie solle sich von Driskill, Dunn und D’Ambrizzi fernhalten, bis alles vorüber sei.
Driskill. Nichts in ihrem bisherigen Leben war so gründlich gescheitert. Wenn sie nur an ihn dachte, fühlte sie sich bedrückt, verängstigt, aller Entscheidungsfreiheit beraubt. Hoffnungslos.
Eine Stunde später verließ sie die Redaktion. Der Novemberwind fuhr ihr schneidend kalt ins Gesicht. Auf der Straße war es dunkel und still. Sie strebte mit forschen Schritten der Straßenecke zu, als ein schwarzer, glänzender Mercedes an den Bordstein rollte und neben ihr anhielt.
Ein Geistlicher in einem schwarzen Regenmantel, unter dessen Aufschlägen der Rand des Priesterkragens hervorlugte, öffnete die Beifahrertür und stieg aus.
»Schwester Elizabeth?«
»Ja?«
»Der Heilige Vater läßt Ihnen diesen Wagen schicken. Bitte.« Er öffnete ihr die hintere Tür.
» Der Heilige Vater? «
»Bitte, Schwester. Es ist sehr eilig.«
Er nahm ihren Arm, und sie setzte sich auf die dunkle Rückbank der Limousine. Der Wagen fuhr an.
»Der Vatikan liegt in der Gegenrichtung. Würden Sie mir das bitte erklären?«
Er drehte den Kopf, blickte sie an und nickte ernst. »Tut mir leid, aber unser erstes Ziel liegt woanders, Schwester.«
»Wo?«
»Trastevere, Schwester«, sagte er, während der Wagen an Geschwindigkeit gewann. Sie hielten sich auf leeren, dunklen Nebenstraßen und fuhren in Richtung Tiber.
Der Fahrer hupte, und ein Knäuel sich balgender Katzen war für einen Augenblick im Licht der Scheinwerfer zu sehen, bevor sie in wilder Flucht in den Schutz einer Gasse huschten.
4 DRISKILL
Ich versuchte immer noch zu ergründen, warum man mich hierhergelockt hatte, als Schwester Elizabeth in das große, offenbar erst im Rohbau fertiggestellte Zimmer geführt wurde. Es war kalt und staubig und weitgehend leer, abgesehen von Dunn, D’Ambrizzi und mir. Und einem Schreibtisch sowie einigen Stühlen, die in wirrer Unordnung an einem langen Tisch mit verkratzter Platte standen. Bisher hatte keiner von uns viel geredet. Und es war kein Wort gefallen, das mir eine Erklärung hätte liefern können.
Elizabeth war in Begleitung eines Priesters, der dann das Zimmer verließ und die Tür hinter sich schloß. Sie trug ihren Trenchcoat und hatte eine Schultertasche umgehängt. Sie blickte Dunn und mich ängstlich an, öffnete den Mund, um etwas zu sagen, hielt aber urplötzlich inne, als sie D’Ambrizzi sah. Er ging über den kahlen Betonfußboden auf sie zu, lächelte, blickte zu ihr auf und führte sie zum Tisch. Sie sträubte sich einen Moment, doch er war unnachgiebig.
»Bitte, setzen Sie sich«, sagte er. In dem grauen Nadelstreifenanzug sah er seltsam fremd aus. Alles an ihm schien sich irgendwie verändert zu haben. Seine Haltung – wie immer wippte er leicht auf den Fersen und hielt die Hände in onkelhafter Weise vor dem stattlichen Bauch verschränkt – war unsicher, als wüßte er nicht recht, was er mit Händen und Füßen anfangen sollte. Es ließ ihn
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