Assassini
unschlüssig und unschuldig erscheinen, wirkte regelrecht entwaffnend. Ein Lächeln huschte über Father Dunns Gesicht, als er meinen Blick auffing. Du Bastard, dachte ich.
»Es tut mir leid, meine Freunde«, sagte D’Ambrizzi, »daß ich Sie auf so unziemliche Weise habe hierherbringen lassen, ohne Vorwarnung, ohne Erklärung. Aber die Zeit drängt, und ich werde Ihnen die Gründe für meine Handlungsweise noch darlegen. Ich brauche Sie wohl kaum daran zu erinnern, daß wir in – nun? – ungewöhnlichen Zeiten leben. Die, gelinde gesagt, ungewöhnliche Maßnahmen erfordern. Bitte, nehmen Sie meine aufrichtige Entschuldigung an.« Während wir anderen bereits am Tisch Platz genommen hatten, stapfte er durchs Zimmer zum Schreibtisch hinüber und zog den Stuhl über den rauhen Betonfußboden; die Stuhlbeine gaben ein lautes, kratzendes Geräusch von sich. Man merkte D’Ambrizzi irgendwie an, daß es ungewohnt für ihn war, seinen ständigen Begleiter diesmal nicht an seiner Seite zu haben. Sandanato war nirgendwo zu sehen. »Und Sie müssen mir außerdem vergeben, daß ich allein diese Maßnahmen veranlaßt habe. Ich habe Ihnen viel zu sagen. Ich werde versuchen, Ihren Fragen zuvorzukommen. Sie werden sicher Verständnis dafür haben, denn meine Zeit ist äußerst knapp bemessen. Obwohl es sehr viel zu berichten gibt.« Er warf einen widerwilligen Blick auf seine Armbanduhr wie ein Schauspieler, der eine ungewohnte Rolle spielen muß. Zweifellos war Sandanato sein angestammter Zeitnehmer. Er lehnte sich im Stuhl zurück und starrte auf die leere Schreibtischplatte. »Also gut. Fangen wir an.
Father Dunn ist ein guter alter Freund von mir. Wir sind enger befreundet, als Sie auch nur erahnen können. Er hat mich in den letzten Wochen ständig über Ihre Aktivitäten auf dem laufenden gehalten, Benjamin. Ägypten, Paris, Irland, Avignon. Er hat mir auch von dem Manuskript berichtet, das man in New Prudence gefunden hat. Ich weiß außerdem, daß Sie der Meinung sind, daß August Horstmann der Mörder Ihrer Schwester ist. Und natürlich hat er mich darüber in Kenntnis gesetzt, daß Erich Kessler Ihnen erklärt hat, ich wäre mit Simon Verginius identisch, der bei der Aufdeckung dieser ganzen Geschichte eine so wichtige Rolle gespielt hat. Ja, ich glaube schon, daß ich recht gut informiert bin.
Ich bin der Meinung, daß ich Ihnen bestimmte Erklärungen schulde. Sie haben sie sich verdient. Warum ich verdient sage? Nun, Benjamin, Sie haben es deshalb verdient, die Wahrheit zu erfahren, weil ihre Schwester tot ist. Und Sie, Schwester Elizabeth, weil Sie beinahe ermordet worden wären. Sie beide haben es verdient, die Wahrheit zu erfahren, weil Sie so viel Entschlossenheit bewiesen haben, die Entschlossenheit von Narren, eine Entschlossenheit, die an Wahnsinn grenzt – und das nur, weil Sie die Wahrheit über Ereignisse aufdecken wollten, die tief unter dem Schutt und dem Staub der Zeit begraben sind. Offen gestanden hätte ich nie damit gerechnet, daß unter solchen Umständen eine derart erfolgreiche Detektivarbeit überhaupt möglich gewesen wäre. Aber Sie haben nicht aufgegeben.« Er schüttelte den Kopf in gespieltem Kummer. »Und das wiederum hat es mir sehr viel schwerer gemacht, all die Rätsel zu lösen, hat es mir sehr erschwert, den Morden ein Ende zu setzen und, um die Worte meines getreuen Sandanato zu benutzen, ›die Kirche zu retten‹.«
Er legte eine Pause ein, als suchte er nach einer Antwort, die uns alle zufriedenstellen konnte; dann gab er es auf. Er holte tief und rasselnd Luft und verlagerte das Gewicht seines massigen Körpers in dem bedrohlich klapprigen Stuhl.
»Ja«, sagte er aus den Tiefen seiner mächtigen Brust. »Ich war Simon Verginius. Ich war der Mann, den Papst Pius nach Paris geschickt hatte, um als Torricellis Verbindungsmann zu arbeiten, um eine Gruppe von Untergrundkämpfern aufzustellen, die die Interessen der Kirche schützen sollten – um den Nazis zu helfen, zu dienen, um ihr Vertrauen und ihre Unterstützung zu gewinnen und der Kirche ihren Anteil an geraubten Schätzen zu sichern. Es war keine leichte Aufgabe, das kann ich Ihnen versichern, weil Männer wie Göring oder Goebbels alles für sich selbst beansprucht haben. Auf jeden Fall war es eine schändliche, abscheuliche Aufgabe, wie ich gestehen muß, aber andererseits müssen Sie bedenken, welcher Druck, welche Macht hinter einem Befehl stand, den Papst Pius persönlich erteilt hatte – diese Mission war zur
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