Assassini
innehielt, ergriff ich das Wort. Die Luft im Zimmer war mittlerweile stickig geworden, denn bei unserer Ankunft hatte D’Ambrizzi die Heizung eingeschaltet. Jetzt war es zu warm, und ich hörte die schwachen Geräusche aus der Restaurantküche durch den Deckenboden dringen. Meine Stimme klang gestelzt, unnatürlich laut.
»Was immer Sie auch in der Vergangenheit getan haben mögen, geht mich nichts an. Und welche Schändlichkeiten die Kirche angestellt haben mag, das alles sind keine Überraschungen für mich. Ein mit den Nazis sympathisierender Papst paßt da wunderbar ins Bild. Und wenn Sie uns die Wahrheit gesagt und LeBecq umgebracht haben – bitte sehr. Das sind alte Geschichten. Von mir aus können Sie Papst werden. Ich bin nur deshalb hier, weil jemand meine Schwester ermordet hat …«
»Sie sind hier, Benjamin, weil ich nach Ihnen geschickt habe. Aber reden Sie weiter, mein Sohn. Wenn ich Sie so anschaue, dann sehe ich den kleinen Jungen, der Sie einmal waren. Ungeduldig, begierig darauf, spielen zu gehen. Der kleine Junge steckt immer noch in Ihnen. Sie haben sich nicht verändert. Sie möchten, daß Ihre Fragen geklärt werden, und …«
»Ich will wissen, wer meine Schwester ermordet hat. Wer dahintersteckt. Horstmann hat auf den Abzug der Waffe gedrückt – Ihr Kumpel Horstmann, der beste Kämpfer, den Sie damals hatten –, und er hat mir den Rücken aufgeschlitzt, Bruder Padraic die Kehle durchgeschnitten und Bruder Leo ans Kreuz genagelt, aber wer hat ihn geschickt? Mir scheint, Sie kommen zuallererst dafür in Frage.
Für mich sind Sie nichts weiter als ein fetter alter Mann, der auf Teufel komm raus Papst werden will. Sie sind kein großer Mann, und die Tatsache, daß Sie Kardinal sind, beeindruckt mich nicht im geringsten. Und daß man Sie Saint Jack nennt, darüber kann ich nur lachen!«
D’Ambrizzi lächelte und nickte höflich, als wollte er mir meine Bemerkungen verzeihen. Dunn blickte angelegentlich zur Zimmerdecke. Schwester Elizabeth schien wie hypnotisiert und starrte auf ihre Hände, die sie im Schoß gefaltet hatte. Abwartend. Schweigend.
»Ich sehe ein«, sagte D’Ambrizzi, »wie verdächtig ich in Ihren Augen erscheinen muß. Aber bedenken Sie, daß ich Sie hierher habe holen lassen, um Ihnen zu erklären, was ich tue und was ich getan habe. Wäre ich der Mann, für den Sie mich halten, warum habe ich Sie dann nicht einfach beseitigen lassen? Wenn ich schon für so viele Morde verantwortlich bin, wie Sie glauben, dann wäre es mir auf ein paar mehr nicht angekommen.«
»Ich könnte Ihnen eine Million Gründe nennen«, sagte ich.
»Aber nur einer zählt – ich habe niemanden ermorden lassen, Benjamin. Ich war Simon. Aber ich war nicht derjenige, der Horstmann nach vierzig Jahren reaktiviert hat. Seit ich ihn mit dem Konkordat der Borgia, das Pius mir gegeben hatte, aus Paris nach Irland schickte, habe ich nichts mehr von ihm gehört oder gesehen.« D’Ambrizzi betrachtete mich durch den Rauch seiner Zigarette. »Und das wirft die entscheidende Frage auf, nicht wahr? Die Frage, auf die wir eine Antwort finden müssen. Wer hat Horstmann wieder an die Arbeit geschickt? «Er lehnte sich zurück. Der Stuhl quietschte unter seinem Gewicht. Er verschränkte die Arme vor der Brust und betrachtete mich aus schmalen Augen.
»Wer?« sagte ich. »Nun, erstens muß es jemand sein, der genau gewußt hat, wo Horstmann sich versteckt hielt. Zweitens wußte dieser Jemand davon, daß Horstmann ein Killer im Dienst der Kirche gewesen ist. Und drittens muß es jemand sein, von dem Horstmann Befehle entgegennimmt. Und Horstmann nimmt wahrscheinlich nur von einem Mann Befehle entgegen – von Simon. Also spricht alles dafür, daß Sie, als Simon Verginius, Ihren alten Kameraden wieder in Marsch gesetzt haben …«
»Zugegeben, es spricht alles dafür«, sagte D’Ambrizzi. »Sie sind Anwalt, Sie denken in logischen Kategorien. Aber ist nicht genau das der Schwachpunkt Ihres Gedankengebäudes, Herr Anwalt? Daß irgend jemand versucht, Simon eben deshalb als Alibi zu benützen, weil alles dafür spricht, daß er der Hintermann ist? Sie können natürlich glauben, was Sie wollen, Benjamin. Sie hatten schon immer die Neigung, sich von anderen nicht in Ihrer Meinung beeinflussen zu lassen. Aber lassen Sie mich kurz eine andere Theorie entwickeln, was Simon und Horstmann betrifft.« Er beugte sich vor, stützte die Ellbogen auf den Tisch. »Jemand lenkt Horstmann, gibt ihm Informationen,
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