Assassini
Mannes, schwarz vor weißem Hintergrund, und dann wußte ich, wer er war … sterbend … schon tot, und pendelnd im Wind …
Father Governeau.
Draußen im Obstgarten; ein Anblick, der mir bisher erspart geblieben war.
Jetzt aber sah ich ihn, in meinem Traum. Warum? Ich wußte nicht, warum. Es war ein Traum, verdammt! Ein Traum und noch mehr, natürlich.
Dann hörte ich meine eigene Stimme. Der Priester im Obstgarten …
Ich hatte das noch nie zuvor gesagt, nicht zu meiner Mutter: es war ein Tabu, aber jetzt schrie ich es ihr ins Gesicht, und die Tränen stürzten aus ihren Augen, schienen in ihren Augen zu explodieren, als wären diese geplatzt, und die Tränen liefen über ihre Wangen, schienen all ihr Leid aus ihrem Innern zu spülen und ihr Gesicht zu zerschmelzen; ich schien meine Mutter auf diesem dunklen Flur für immer zu verlieren … und ich hörte ihre Stimme …
Du, du, du warst es … du hast es getan … du allein, du hast es getan, immer warst du es, von Anfang an … du … nur du … ich konnte nichts dagegen tun … es war zu spät … du hast es getan … der arme Priester …
Dann wandte sie sich um, ging mit schwankenden Schritten ins Schlafzimmer zurück und schloß die Tür.
Ich stand allein im eiskalten, dunklen Flur und zitterte am ganzen Körper …
… und ich erwachte in meinem Bett in Rom, naßgeschwitzt, erschöpft und von Entsetzen und Angst erfüllt. Mehr als dreißig Jahre hatte ich diesen Traum nun durchlitten, und all die Jahre hatte ich mich verzweifelt bemüht, die Worte meiner Mutter zu verstehen und sie deutlicher zu sehen und zu begreifen, was das alles zu bedeuten hatte.
Und nun wußte ich es.
Ich wünschte mir, es wäre mir erspart geblieben.
Es hatte sich so angehört, als wollte meine Mutter mir die Schuld daran geben, was mit Father Governeau passiert war.
Alles hing miteinander zusammen. Father Governeau und Val und alles andere. Warum hatte Val sich kurz vor ihrer Ermordung für Father Governeau interessiert?
Und wieso gab Mutter mir die Schuld an seinem Tod?
Gegen drei Uhr morgens klopfte jemand an die Tür meines Zimmers. Ich lag im Bett und hatte Mühe, mir darüber klarzuwerden, ob ich träumte oder nicht. Als ich schließlich aufstand und zur Tür ging und öffnete, hatte Schwester Elizabeth gerade wieder die Faust erhoben, um erneut anzuklopfen. Ich fragte sie, ob sie wisse, wie spät es sei.
»Das spielt keine Rolle. Wie spät ist es denn?«
»Drei Uhr morgens. Kurz nach drei.«
»Sie sind zäh. Sie werden es überleben. Na los, lassen Sie mich rein.« Ihr Trenchcoat war triefend naß, und ihr Haar schimmerte feucht vom Regen. Sie rauschte an mir vorbei ins Zimmer. Sie wirkte so aufgedreht, als hätte sie ein Aufputschmittel genommen.
»Was wollen Sie hier? Was ist denn los?«
»Ich werde mit dem Kampf und der Ungewißheit nicht mehr fertig. Zwischen uns beiden, meine ich. Wir müssen reden, bevor alles zusammenbricht. Es ist meine Welt, Ben, sie bedeutet mir alles – aber wohin ich auch blicke, überall springen die Räder aus den Gleisen. Nein, nein, unterbrechen Sie mich jetzt bitte nicht. Wir würden uns nur wieder streiten, und dann wäre alles noch schlimmer, als es jetzt schon ist, darum lassen Sie mich einfach erzählen, was mir auf dem Herzen liegt, und sagen Sie kein Wort, es sei denn, ich stelle Ihnen eine direkte Frage.«
Ich nickte.
»Ich habe Angst, daß mein Leben verrinnt, ohne daß ich es richtig gelebt habe. Ich glaube, Val wäre über kurz oder lang aus dem Orden ausgetreten und hätte Lockhardt geheiratet. Ich weiß, was sie für ihn empfunden hat – ich glaube, das haben wir beide gespürt. Es tut mir sehr, sehr leid für Val. Und mein Glaube an die Kirche ist in tausend Stücke zersprungen – denn was bedeutet es, wenn die Kirche in diese ganze Sache verstrickt ist? Was ist mit der Kirche geschehen?«
»Ich betrachte das als direkte Frage. Und die Antwort lautet, daß nichts mit der Kirche geschehen ist. Sie ist so wie eh und je, nur haben Sie die Augen davor verschlossen. Die Kirche ist nicht besser und nicht schlechter, als sie schon immer gewesen ist.«
»Dann weiß ich nicht mehr, was ich überhaupt noch glauben soll. Meine Kirche ist plötzlich ein Geheimnis. Ich weiß nicht mehr, ob ich noch an irgend jemanden glauben kann, der ihr angehört. D’Ambrizzi hat mehr Gesichter als eine Gemäldegalerie – und ich brauche jemanden, an den ich glauben kann. Darum habe ich über Sie nachgedacht …«
»Wissen Sie,
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