Assassini
weniger als dreißig Personen festangestelltes Hauspersonal umfaßt hatte. Und jetzt war dieses Herrenhaus das Heim von Manfredi Kardinal Indelicato, der in den Augen der römischen Buchmacher, die sich zumeist aus Presseleuten rekrutierten, eine sehr große Chance hatte, der erste Indelicato-Papst zu werden.
Das Arrangement der Feier war schlichtweg perfekt. Das Kerzenlicht tanzte auf pfirsichfarbenem Marmor; das Kammerorchester spielte Musik von Vivaldi; der Parkettfußboden schimmerte an jenen Stellen, die nicht von schweren, kostbaren Teppichen bedeckt waren; der Duft von Fichten drang durch die geöffneten Türen; ich sah Gruppen hoher und höchster Geistlicher mit allen Insignien ihrer Ämter, mondäne Frauen in eleganten Modellkleidern, die meisten mit einem so tiefen Ausschnitt, daß sehr viel sonnengebräunter, wohlgeformter Busen zu sehen war; grauhaarige Männer, die sich solche Frauen leisten konnten; Filmstars und Kabinettsminister. Leise Konversation; das Raunen vermischte sich mit den Klängen der Musik; dennoch war deutlich zu spüren, daß sich die hier Versammelten in einem Zustand gespannter Erwartung befanden, näherte sich das Drama doch seinem Ende: In einem abgeschiedenen Zimmer irgendwo in den Katakomben des Vatikans lag der Papst im Sterben. Es herrschte jene Spannung, die beinahe sexueller Natur ist – wie oft, wenn eine solche Gesellschaft der Reichen, Schönen und Mächtigen versammelt ist. Schwester Elizabeth, Father Dunn und ich wurden von einer Limousine zur Villa gebracht, die uns aufmerksamerweise von Kardinal D’Ambrizzi zur Verfügung gestellt worden war. Wir stiegen die lange Treppe mit den flachen Stufen hinauf und wurden schnell von der Menge aufgesogen, denn das Fest war bereits im Gange. Elizabeth wurde sofort von irgendwelchen Bekannten mit Beschlag belegt, Dunn von vatikanischen Freunden begrüßt, und darum schlenderte ich allein weiter. Champagner, erlesene Speisen auf langen Tischen; Bedienstete in Gesellschaftsanzügen bewegten sich geschickt mit silbernen Tabletts durch die Menge, boten verschiedene Getränke an. Das Kerzenlicht, nur ganz sanft durch elektrische Beleuchtung verstärkt, tauchte alles in traumhaften, rosefarbenen Schimmer.
Die Villa war ein Wohnhaus, gewiß, doch an Abenden wie diesem offenbarte sie ihre zahlreichen Sehenswürdigkeiten; sie war so etwas wie ein Privatmuseum. An den Wänden, fast zehn Meter hoch, hingen eine Unzahl kostbarer Gobelins sowie Gemälde großer Meister, deren Wert schlichtweg unschätzbar war. Im Laufe der Jahrhunderte hatte die Familie Indelicato offensichtlich viele ebenso begeisterte wie begüterte Sammler hervorgebracht, und die Ernte war reichlich ausgefallen: Raffael, Caravaggio, Reni, Rubens, Van Dyck, Baciccio, Murillo, Rembrandt, Bosch, Hals und so weiter und so fort. Es war beinahe schon unwirklich, so viele Kunstschätze, soviel Reichtum regelrecht zusammengedrängt in einem einzigen Privathaus bestaunen zu können. Ich schlenderte langsam durch die Räume, was sich wegen der vielen Gäste nicht ganz einfach gestaltete, und bewunderte ein Gemälde nach dem anderen, trank Champagner und vergaß beinahe, warum ich mich hier aufhielt.
Keiner von uns wußte, was uns erwartete. Zuerst einmal stellte sich die Frage: Warum waren wir überhaupt eingeladen worden? Dunn, der sich immer noch nicht zu D’Ambrizzis überraschender Eröffnung geäußert hatte, er sei einer der engsten Freunde des Kardinals, hatte Elizabeth und mir erklärt, er glaube, daß wir deshalb eingeladen worden seien, weil der Papst Indelicato und D’Ambrizzi gemeinsam mit der Aufgabe betraut habe, Vals Mörder zu finden. Indelicato habe uns schon lange kennenlernen wollen. Warum aber hatte D’Ambrizzi so sehr darauf gedrängt, daß wir diese Feier besuchten, hatte ich wissen wollen. Die Antwort Father Dunns hatte sich auf ein Achselzucken beschränkt. Doch offensichtlich verfolgte D’Ambrizzi seinen eigenen Plan: Er hatte gesagt, daß am Ende dieses Abends alles vorüber sei. Irgend etwas würde passieren. Wir wußten nur nicht, was. Und wann und wem. Schwester Elizabeth sah hinreißend aus in einem schwarzen Samtkleid mit viereckigem Ausschnitt; sie trug ein Kameehalsband, das Val ihr geschenkt hatte; ihr Haar war nach hinten gekämmt und mit einer schwarzen Schleife zusammengebunden. Sie lächelte mich an, als wir uns im Hassler trafen; ein Lächeln, wie ich es noch nie zuvor bei ihr gesehen hatte. Es war ein Lächeln, als wäre kein Streit mehr
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