Assassini
zwischen uns, als wären alle Probleme bereits aus der Welt geschafft. Unsere Blicke trafen sich, und sie nahm meine dargebotene Hand, als ich ihr in den Wagen half. Wir hatten durch unser kurzes nächtliches Gespräch in meinem Hotelzimmer einen Waffenstillstand erzielt. Jetzt fühlte auch ich mich ruhig, fast heiter. Nun standen wir wenigstens auf der gleichen Seite; ungeachtet, in welchen Kategorien wir dachten, auf welche Entwicklung der Dinge jeder von uns hoffen mochte.
Wir standen auf einer weit geschwungenen Treppe und blickten auf die rastlose, wogende Menschenmenge hinunter. Elizabeth blickte mich an. »An welche Geschichte glauben Sie?« Sie hatte mir von ihrem Gespräch mit Sandanato erzählt, von dessen Behauptung, D’Ambrizzi sei der Mann im Hintergrund, derjenige, der für alles, was geschehen war, die Verantwortung trage. Derjenige, der die Kirche in seine Gewalt bringen wolle und sie zerstören werde, da er rücksichtslos gegen alles vorgehen werde, was seinen Überzeugungen im Wege stehe. »Entweder ist D’Ambrizzi der Böse oder der Gute. Die Frage ist nur: Wie sollen wir das herausfinden?«
»Keine Ahnung. Die hohen Geistlichen sind durch die Bank üble Zeitgenossen. Und gerade D’Ambrizzi bringt dafür die besten Voraussetzungen mit. Wir haben nur sein Wort, daß er kein schlechter Kerl ist.«
»Wir haben auch Father Dunns Wort«, sagte sie.
»Wie beruhigend. Was ist sein Wort wert? Ich weiß es nicht.«
»Und was sagt Ihnen Ihre innere Stimme?«
»Daß ich mich erst mal mit Herrn Horstmann befassen sollte. Dann werde ich mich um denjenigen kümmern, der Horstmann geschickt hat. Und es spricht alles dafür, daß Simon es war, der wirkliche Simon … D’Ambrizzi.«
»Aber der Mord an Val – D’Ambrizzi hätte niemals den Befehl erteilt, Val zu ermorden …«
»Und was ist mit dem Mordversuch an Ihnen? An mir? Hätte er die befehlen können?«
Sie blickte zur Seite, schwieg.
Ein Priester mittleren Alters mit einem blasierten, humorlosen Gesicht kam vom oberen Teil der Treppe zu uns herunter. »Schwester Elizabeth«, sagte er, »und Mister Driskill. Seine Eminenz Kardinal Indelicato möchte Sie gern sehen. Bitte, folgen Sie mir.«
Wir stiegen hinter ihm die Stufen hinauf, folgten ihm über einen Treppenabsatz und dann einen Flur mit grün-goldener Brokattapete entlang, vorüber an einigen Rokokostühlen, Dutzenden von Gemälden und Tischen, auf denen Vasen mit frischen Blumensträußen standen.
Der Priester blieb vor einem Türeingang stehen und bedeutete uns mit einer Handbewegung, in das dahinterliegende Zimmer zu treten. Es war lang und schmal, mit hohen Fenstern, schweren, bodenlangen Vorhängen, einem Teppich, der ein paar hundert Jahre alt sein mochte, einem antiken Schreibpult und einem riesigen Gemälde von Masaccio, das eine der Wände beherrschte. Ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt nicht die leiseste Ahnung gehabt, daß solche Werke in Privathäusern hingen.
Im Zimmer hielt sich außer uns niemand auf. » Momento « , murmelte der Priester und verschwand durch eine reich geschnitzte Tür, die sich hinter dem Schreibpult befand.
Ich nickte. Mein Blick wurde von einem kleinen Gemälde angezogen, das neben einem Fenster und über einem Ultraschall-Luftbefeuchter hing, der sein Bestes tat, die Kunstgegenstände davor zu bewahren, zu Staub zu zerfallen. Auf dem Gemälde war eine gespenstische Gestalt in einem wehenden Umhang zu sehen, die im Raum zu schweben schien und einen langen Arm in Richtung des Betrachters ausstreckte. Bei näherem Hinsehen stellte ich fest, daß das Gesicht der Gestalt ein grinsender, bleicher Totenschädel war. Im trostlosen, öden Hintergrund waren kahle Bäume zu erkennen; schwarze Vögel erhoben sich in einen blaßroten Himmel, als würden hinter dem Horizont die Feuer der Hölle lodern. Ich war von dem Anblick des Gemäldes betroffen, denn die Gestalt im Umhang besaß eine große Ähnlichkeit mit meiner Mutter in meinem immer wiederkehrenden Traum. Ich hörte das Rauschen schwerer Vorhänge und wandte mich genau in dem Moment um, als Kardinal Indelicato langsam ins Zimmer trat.
Sein Gesicht war hager und bleich. Sein schwarzes Haar glänzte wie Schellack und war straff zurückgekämmt, und sein Schädel war lang und schmal. Er schüttelte Schwester Elizabeth die Hand; dann kam er zu mir herüber und begrüßte auch mich mit einem Händedruck – so steif und förmlich, daß ich jeden Moment damit rechnete, daß er die Hacken zusammenschlug. Ein
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