Assassini
Ziele der Kirche, so wie wir sie verstehen, sich grundlegend von denen jener Organisationen unterscheiden, die Sie aufgezählt haben, Schwester Elizabeth. Nun, wie lange wird das alles noch dauern? Nicht mehr lange, glauben Sie mir. Wir stehen kurz vor dem Ende. Und der Vorwurf, daß ich Ihnen nur etwas vormache, ist unberechtigt. Ich weiß, wer hinter alldem steckt. Aber wenn ich es Ihnen sage – würden Sie mir glauben? Wahrscheinlich nicht. Noch nicht. Aber bald, sehr bald … Zuerst jedoch steht nun Kardinal Indelicatos festlicher Empfang auf dem Programm. Sein Taktgefühl läßt zu wünschen übrig, gelinde gesagt, wenn man bedenkt, daß Seine Heiligkeit im Sterben liegt. Ich möchte Sie dennoch dringend bitten, die Feierlichkeit nicht zu versäumen.«
»Feier?« fragte ich, aus meinen Gedanken gerissen. »Wovon reden Sie eigentlich?«
»Nun, Ben, Fredis Partys sind geradezu legendär. Mir ist leider entfallen, was er diesmal eigentlich feiert, aber es wird ein unvergeßlicher Abend werden, das kann ich Ihnen garantieren. Und ich bin sicher, daß Fredi Sie unter seinen Gästen erwartet.« Die schweren Lider senkten sich über die Reptilienaugen. »Sie dürfen das Fest nicht versäumen. Sie würden es bereuen, glauben Sie mir. Ich habe eine Überraschung für Sie – auf der Party.« Er kratzte sich am Hinterkopf. »So, mein Fahrer wird mich schon sehnlichst erwarten. Ich muß wieder an meine Arbeit …«
»Eine Frage«, unterbrach ich ihn. »Sie sagten, daß Pius Sie gehaßt hat. Warum?«
Schwester Elizabeth hielt es nicht mehr auf dem Stuhl. »Und wer war der ›große Mann‹ im Zug? Und was hat es mit der Pius-Verschwörung auf sich? Hat dieser Begriff sich auf die Assassini bezogen? Darauf, daß Pius sie reaktiviert hat?«
D’Ambrizzi, bereits auf dem Weg zur Tür, hielt inne und wandte sich um. Er blickte Schwester Elizabeth an, und der Ausdruck von Verwunderung huschte über sein derbes Gesicht. »Nun, das alles war gewissermaßen ineinander verzahnt. Pius hatte – das muß ich ehrlich gestehen – allen Grund, mich mit äußerstem Mißfallen zu betrachten. Wissen Sie … es war Papst Pius, der im Zug sitzen sollte.«
»Sie wollten den Papst ermorden!« Grelles Entsetzen und Unglaube lagen in ihrer Stimme.
»Wir hatten die Absicht, den Papst zu eliminieren, ja. Schockierend, nicht wahr? Aber eine alte und edle Tradition, wie ich hinzufügen möchte. Und natürlich bezieht sich der Begriff ›Pius-Verschwörung‹ auf unseren Versuch, ein Attentat auf den Papst zu verüben. Wenn man erst die Antwort kennt, ist alles ganz einfach, nicht wahr? Viele Erklärungen sind schlüssig, aber nur eine ist richtig. Behalten Sie das im Kopf. Wie ich schon sagte, wir nähern uns dem Ende.«
»Moment. Halt.« Elizabeth schüttelte langsam den Kopf, als könnte sie die Situation nicht richtig erfassen. »Sie wollten … Papst Pius ermorden?«
»Es wäre für ihn die beste Lösung gewesen. Für uns alle.«
»Und Guy LeBecq hat Sie und Ihre Leute verpfiffen, hat den Vatikan gewarnt. Daraufhin hat Pius die Bahnreise gar nicht erst angetreten, und darum haben Sie dann LeBecq getötet …«
»Ja. Wie ich schon sagte, ich habe ihn getötet. Er hatte, davon war ich überzeugt, den Tod meiner Kameraden verschuldet. Aber da gibt es ein kleines Problem. Einige Zeit später hat mir jemand, der es wissen muß, gesagt, daß es gar nicht LeBecq gewesen ist, der den Vatikan gewarnt hat. Ich hatte den falschen Mann getötet. Allerdings war es kein großer Verlust für die Menschheit.«
Schwester Elizabeth rang nach Atem. »Mein Gott …«
D’Ambrizzi trat auf sie zu und nahm ihre Hand, hielt sie fest, als Elizabeth sie ihm entziehen wollte. »Arme Schwester, armes kleines Mädchen. Sie haben wegen dieser Geschichte Schlimmes durchgemacht. Es tut mir schrecklich leid. Aber ich kann nur eins tun: diesem Alptraum ein Ende bereiten.«
»Wer hat versucht, mich zu ermorden?« Sie war jetzt den Tränen nahe.
»Bald, bald ist alles vorüber. Ich kann Ihre Sorgen verstehen, Ihren Zorn. Sie haben recht, es ist in gewisser Weise Wahnsinn. Ein Priester, der versucht hat, den Papst zu töten, und der einen anderen Priester mit bloßen Händen ins Jenseits befördert hat … doch dieser Priester ist andererseits auch ein Mann, den Sie schon lange kennen und dem Sie vertraut haben. Es ist verwirrend, ich weiß. Was soll ich Ihnen raten? Nun, ich habe es schon vor vielen Jahren aufgegeben, mir über die moralischen Aspekte der
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