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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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Mann, wie sich später herausgestellt hatte.
    Das alles schien ihn nicht sonderlich zu berühren.
    Was für ein Mensch tat so etwas?
    Muß am Krieg gelegen haben, das war die Erklärung. Damals hatte ein Krieg gewütet, und das hatte alles verändert. Alle Regeln waren außer Kraft gesetzt …
    Schließlich stieg ich aus der Wanne, taumelte zum Bett und legte mich hinein und dachte an Gabrielle LeBecq, an ihren warmen, weichen, anschmiegsamen Körper, die dunkle Haut. Ich schauderte. Ich wußte, ich würde sie nie wiedersehen, doch ich wollte noch einmal ihre Schenkel auf meinem Rücken spüren und mich in sie hineindrängen, dorthin, wo ich sicher war … ich wollte in Sicherheit sein. Das wenigstens schien mir nicht zuviel verlangt.
    Ich fragte mich, ob ich auf Kardinal Indelicatos Feier in Sicherheit war. Wahrscheinlich nicht. Seine offiziellen Einladungen an Elizabeth, Dunn und mich waren bereits ergangen. Er würde sich geehrt fühlen, uns als seine Gäste begrüßen zu dürfen. In seiner Villa. Morgen abend.
     
    In meinen Träumen wartete meine Mutter auf mich.
    Es war der gleiche alte Traum.
    Nur kam sie diesmal näher, als drängte sie irgendein seltsamer Zwang voran, als wäre es von ungeheurer Wichtigkeit. Sie trug immer noch das dünne Nachthemd; es war die gleiche Szene, die ich in den vielen Jahren immer und immer wieder im Traum gesehen hatte … die Erinnerung daran, wie sie die Hand nach mir ausstreckte, an ihr wirres Haar, die funkelnden Ringe an ihren langen Fingern mit den lackierten Nägeln; aber diesmal war sie deutlicher zu erkennen, als würde ein dünner Vorhang, der sonst immer zwischen uns gewesen war, zur Seite geweht.
    Ich verspürte ein intensives Gefühl der Scham; das alles war mir so peinlich, als hätte ich sie in einer sehr intimen Situation überrascht. Ich hätte nicht dort sein dürfen, wo ich war, und dennoch streckte sie die Hand nach mir aus, redete mit mir, und ich konnte ihr Parfüm riechen – es duftete nach Gardenien, es war jene Art Duft, den man nie mehr vergißt, wenn man ihn als Kind in sich aufgenommen hat –, aber ich konnte auch den Gin riechen, den Martini in ihrem Atem … und das alles zum erstenmal; es waren völlig neue Eindrücke in diesem alten Traum … sie kam aus dem Schlafzimmer, und hinter ihr leuchtete gelbes Licht; es war Nacht, und ich stellte fest, daß ich meinen Schlafanzug und den rotkarierten Morgenmantel trug; ich mußte zehn oder zwölf Jahre alt sein, und zum erstenmal konnte ich ihre Stimme ziemlich deutlich vernehmen …
    Ich hatte sie im Traum nie sprechen hören – Worte, richtige Worte –, doch ich wußte, es war eine Erinnerung; ich erinnerte mich an irgend etwas, das tatsächlich passiert war, das ich aber vergessen, verdrängt hatte, und die Worte wehten aus weiter, weiter Ferne an mein Ohr; sie rief mich, wiederholte meinen Namen, Ben, Ben, hör mir zu, bitte, Ben, die Stimme meiner Mutter klang flehentlich, hör mir zu …, und ich wich vor ihr zurück, ich sah meine Mutter nicht so, wie ich sie sonst sah, sie war nicht gepflegt und beherrscht und distanziert, diese Frau hatte geweint und getrunken und ihre Stimme war stockend, beinahe ein Schluchzen. Sie hielt ein Taschentuch in einer Hand, sie bettelte, sie wollte, daß ich näher kam, aber irgend etwas an ihr war beängstigend, vielleicht war es bloß der Unterschied, innerlich und äußerlich … ihre Stimme war kratzig, rauh … Ben, lauf nicht weg, bitte, Schatz, hör mir zu …
    Ich ging langsam auf sie zu, näher und näher, so flehentlich war ihr Bitten. Ich spürte, wie ihre Hand sich um die meine schloß, mit kräftigem Druck, wie die Krallen eines Raubvogels, und ich sah den Vogel, aufgespießt auf einer Spitze des eisernen Zauns, vor so langer, langer Zeit, ich sah, wie die verängstigten Augen meiner Mutter mich anstarrten, und in meinem Traum vermischten sich die Bilder und Geräusche, der Vogel, der Zaun, die rauhe Stimme meiner Mutter; ich spürte ihre krallenähnliche Hand wie eine Klaue um die meine, wie bloße, bleiche Knochen … Dann erwachte der Vogel zum Leben und zappelte am Zaun, sterbend, kreischend, seine Beine zuckten, seine Flügel flatterten wild und hilflos, hoffnungslos, und dann verwandelte der Vogel sich in eine andere Gestalt – warum? warum? ich glaube, weil es ein Traum war. Der Vogel war jetzt ein Mann, dessen Füße in der Luft hingen, strampelten. Er war schwarz, so schwarz wie der sterbende Vogel, und auch er starb, dieser Schemen eines

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