Assassini
starken Magneten. Und so etwas Ähnliches waren diese beiden herausragenden Persönlichkeiten ja auch.
»Was für ein spannendes Spiel das alles ist«, sagte Dunn. »Heute abend sichert Indelicato sich sein Anrecht, für alle Eingeweihten deutlich zu erkennen. Er sagt in ihrer Geheimsprache: Ich werde Papst! Und jeder hier – fast jeder – versucht, sich bei ihm lieb Kind zu machen. Das muß man einfach genießen.«
Eine Stunde später zog die Menge nach und nach in den Ballsaal hinüber, wo das ausgewählte Publikum die Vorabaufführung der Fernsehsendung über den ›Vatikan, wie er wirklich ist‹ miterleben konnte. Kardinal Indelicato hielt eine kurze, einleitende Rede. Er stellte seinen Gästen den berühmten amerikanischen Produzenten der Sendung vor; er nahm den Beifall der Menge entgegen, während die Lichter im Ballsaal langsam erloschen. Er ließ sich sichtlich von der Woge der Begeisterung tragen – eine der sehr seltenen Gelegenheiten, bei denen er sich solche weltlichen Ausschweifungen erlaubte.
D’Ambrizzi hatte die Gunst des Augenblicks genutzt und sich abgesetzt. Er gesellte sich in den Schatten eines aus riesigen Palmen gebildeten Haines zu uns. Dunn bemerkte ihn zuerst. »Eminenz«, sagte er.
Der Kardinal hatte Schwester Elizabeth im Schlepptau. »Diese junge Dame« – er legte den Kopf schief und nickte in Elizabeth’ Richtung – »hält an der Meinung fest, daß ich nicht Jack the Ripper bin. Ich hoffe, auch Ihnen das im Laufe der nächsten Stunden beweisen zu können, Benjamin. Was meinen lieben Freund Indelicato betrifft – er glaubt, der Karriere des alten Saint Jack noch heute abend ein Ende zu machen.« Er zuckte die Achseln. »Und wenn es ihm gelingt? Wäre das eine solche Tragödie? Nun … ja, doch, es könnte für die Kirche tragisch enden.«
»Was wünschen denn Sie der Kirche?« fragte ich. »Was ich der Kirche wünsche? Daß sie nicht den Inquisitoren in die Hände fällt, würde ich sagen – so nenne ich sie jedenfalls. Die alte Garde. Die Ultrakonservativen. Ich würde gern verhindern, daß Indelicato das Ruder in die Hand bekommt und die Kirche in eine Art fürstliches Jagdrevier für sich und seinesgleichen zurückverwandelt. Das ist der entscheidende Punkt.«
»Indelicato macht heute abend einen sehr zuversichtlichen Eindruck«, sagte ich.
»Warum auch nicht? Er hat mich in der Hand, wie er meint. Horstmann war Simons Kreatur, da stimmen alle überein … und ich 1 war Simon … Ich habe versucht, einen Papst zu ermorden, ich habe eine Bande von Killern angeführt, und alles spricht dafür, daß ich Horstmann reaktiviert habe. So etwas hat in der langen, düsteren Geschichte der Kirche durchaus Tradition, und Indelicato glaubt, genug Beweise gegen mich erbringen zu können. Wie, um alles in der Welt, kann ich ihn daran hindern, mich durch Erpressung aus dem Rennen zu werfen? Um das zu verhindern müßte – wenn ich mal so sagen darf- Gott seine Hand gegen ihn erheben. Natürlich glaube ich an Gott.« Er lächelte breit und fingerte behutsam an dem elfenbeinernen Kreuz auf seiner Brust herum. »Und Gott ist schließlich dafür bekannt, daß er denen hilft, die sich selbst helfen. Nun gut, hat jemand von Ihnen die Absicht, sich diese Fernsehsendung anzusehen?« Hatten wir nicht, wie wir einmütig zu verstehen gaben. »Ich auch nicht. Kommen Sie mit mir. Rasch. Ich möchte Ihnen etwas zeigen.«
Er führte uns einen verlassenen Flur entlang und dann eine Treppe hinunter, die in einem Bogen in die dunklen, höhlenartigen Kellerräume führte, die nur hier und da von Deckenlampen spärlich beleuchtet wurden. Er drückte auf einen Schalter an der Wand, und die großen, plumpen Schemen entpuppten sich im aufflammenden Licht als Weinregale, in denen Tausende von Flaschen lagerten, in schier endlos langen Reihen, die sich in der Düsternis des Gangs verloren. Dunn murmelte: »Ich habe mir sagen lassen, das hier ist der bestbestückte Weinkeller in ganz Rom.«
D’Ambrizzi zuckte die Achseln. »Ich bin kein Kenner edler Tropfen. Wenn der Wein herb ist und die Farbe von Blut hat, bin ich’s zufrieden. Ich bin eben ein Bauer.« Er ging zwischen den Regalen hindurch. »Man wird uns hier unten nicht stören. Der gute Manfredi bewahrt hier etwas auf, das Sie einfach sehen müssen.«
Elizabeth sagte: »Wie können Sie sicher sein, daß wir nicht gestört werden?« Sie warf einen Blick über die Schulter, als würde sie jeden Moment damit rechnen, daß ein Einsatztrupp der
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