Assassini
asketischsten Persönlichkeit unter den Kardinalen, zum König der Kurie. Indelicato ist ein sehr fleißiger Mann gewesen. Ich vermute, einer von uns beiden muß sterben, damit der andere vielleicht Calixtus auf den Thron des Heiligen …«
»Unsinn, Giacomo! Ihre Hirngespinste und Ihr Sinn für das Melodramatische haben Sie verblendet!« Es war Seine Eminenz Kardinal Indelicato, der im Türeingang hinter uns erschienen war. »Was habe ich von Ihnen zu befürchten? Oder Sie von mir? Und was soll dieses Gerede vom Sterben? Sind nicht schon genug Menschen ermordet worden?« Seine dunklen Augen, die so sehr denen Sandanatos ähnelten, huschten von einem Gesicht zum anderen; die Andeutung eines Lächelns lag auf seinen dünnen Lippen. In diesem Augenblick erinnerte er mich in seiner ganzen Erscheinung an Sandanato: ein religiöser Fanatiker, der nur noch einen Schritt vom Martyrium entfernt war. Elizabeth’ Behauptung, daß Sandanato nach jahrzehntelanger Loyalität gegenüber D’Ambrizzi in Indelicatos Lager übergeschwenkt war, erschien mir plötzlich glaubwürdig. Selten waren zwei Männer mit dem gleichen Ziel unterschiedlicher gewesen als diese beiden Kardinäle. Ausgenommen vielleicht, was ihre Verschlagenheit betraf. D’Ambrizzi blickte uns mit einem väterlichen Lächeln an. »Ich glaube, ich muß meine Freunde um Verzeihung bitten. Ich wußte natürlich, daß Sie mich beobachten lassen, Fredi, und ich wollte, daß Sie hierherkommen. Meine Freunde wären niemals mit hierhergekommen, hätte ich sie nicht dazu gedrängt – aber ich wollte ihnen durch die Besichtigung Ihrer Schatzkammer einen bestimmten Beweis erbringen.«
»Welchen Beweis? Ich fürchte, Sie haben bei Ihren Freunden einen falschen Eindruck erweckt. Es handelt sich hier um Geschenke, die der Kirche während und nach dem Krieg von verschiedenen Staaten gemacht wurden. Ich habe der Kirche dieses Gewölbe als Lagerraum vermietet. Das ist alles vertraglich festgehalten und vollkommen rechtmäßig.«
D’Ambrizzi lachte. »Was erzählen Sie mir denn da, Fredi? Ich war doch derjenige, dem die Deutschen erlaubt haben, das alles hier zu stehlen. Manchmal können Sie ein richtiger Spaßvogel sein, Fredi. Man sollte es nicht für möglich halten.«
»Sie sind zu freundlich, mein Lieber, wie immer. Aber Sie müssen sich darüber klar werden, daß unsere Feindschaft – so wie Sie das sehen – ein Ende haben muß. Wir sind alte Männer. Wir müssen die Vergangenheit hinter uns lassen. Gewiß werden wir dann unsere verbleibenden Tage in Frieden verbringen …«
»Glauben Sie das wirklich, Fredi?«
»Natürlich. Unser langer Krieg ist beendet. Ich bin mittlerweile im Besitz Ihrer Memoiren, jener Geschichte, die Sie vor so vielen Jahren in Amerika niedergeschrieben und dort zurückgelassen haben … jedenfalls werden die Papiere sich bald in meinen Händen befinden. Ich werde das Manuskript vernichten. Und dann sind Ihre Krallen stumpf, mein Freund. Sollten Sie weiterhin darauf beharren, die damalige Tragödie ans Licht zu zerren – was immer Sie behaupten, man wird es als belangloses Geschwätz abtun.«
»Und nach vierzig Jahren haben wir unseren zweiten Nazi-Papst!« D’Ambrizzi konnte nicht verhindern, daß er bei diesen Worten leise lachte. »Was für ein Witz! Wer beschafft ihnen eigentlich meine Memoiren, wie Sie die Papiere nennen?«
Indelicato starrte ihn nur an, ließ die Frage unbeantwortet. »Sie leben, weiß Gott, eindeutig in der Vergangenheit. Das Wort Nazi hat nun keinerlei Bedeutung mehr.«
»Vielleicht gehört das zu den vielen Dingen, derer Gott sich noch annehmen muß. Für mich wird dieses Wort immer eine Bedeutung haben, das kann ich Ihnen versichern.«
»Sie sind durch die Vergangenheit gelähmt. Für Sie gibt es immer einen Krieg, sind immer Morde zu begehen. Nun aber, Simon, hat Ihr Morden endlich ein Ende. Jetzt sollten Sie sich über das Schicksal Ihrer unsterblichen Seele Gedanken machen. Ihre Hände sind rot vom Blut Ihrer ungezählten Opfer. Sie haben so vieles aus der Vergangenheit getötet. Aber mich, Giacomo, haben Sie nicht getötet!«
»Ich nehme an, das alles war mehr an meine Freunde als an mich gerichtet«, sagte D’Ambrizzi zu uns gewandt. »Nun, vielleicht haben Sie sie überzeugt. Ich aber weiß, daß Sie es sind, Fredi. Sie sind die Vergangenheit. Solange Sie leben, wird auch das Böse aus jenen Tagen noch leben. Sie sind der Geist des Bösen, das unsere Kirche vergiftet. Die Verderbtheit, die Sünde, das
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